„wenn auf Capri die rote Sonne …“

Hätte ich es mal gelassen. Da handelt man(n) nur in allerbester Absicht und will Walter, der geliebten Platzbesetzerin und sich selbst eine kleine Freude machen – und dann das. Frechheit!

Als erstes kam eine WhatsApp: „sieht aus, als würdest Du Walter die Fresse polieren“. Hier bleibt aber auch nichts unentdeckt im Dorf.

Später dann – ich höre den süffisanten Unterton ganz genau – spitzt die (in dem Moment etwas weniger) geliebte Platzbesetzerin die Lippen: „Den Smart willst Du auch schon seit 3 Monaten waschen

Ok, ok, ich gebe es zu. ICH wollte das. Aber es musste sein. Walter war einfach dreckig. Da hing doch noch die Elchkacke am Kotflügel und überhaupt. Ich kann doch die neuen Aufkleber nicht auf eine schmuddelige Seitenwand kleben.

Also habe ich den Freitag Abend damit verbracht, Walter gründlich zu waschen und zu polieren. Von innen, von außen, von hinten und vorne. Das blieb scheinbar nicht unentdeckt. Jedenfalls ist er nun sauber. Sauber genug, um die neuen Aufkleber mit dem Logo dieser kleinen, illustren Website anzubringen, die auf den Namen www.die-platzbesetzer.de hört. Mühsam gehe ich mit Waschbenzin, Wasserwage und Fixierband zu Werke. Nach 2 Stunden ist es geschafft – gelb leuchtet das Logo nun auf allen Seiten. Und ich bin stolz wie Bolle.

„na zum Glück ist es schief geworden, sonst wäre es ja nicht von Dir“

Wieviel Jahre gibt es eigentlich auf „Frau versehentlich an der Raststätte vergessen“?

Aber so weit sind wir noch nicht – Glück für SIE. Vor die Abfahrt am nächsten Morgen hat der liebe Gott und meine Beifahrerin nämlich das Packen und einen Friseurtermin gesetzt.

Das Packen läuft wie die geschmierten Brote, die wir dabei haben. Hierin sind wir inzwischen echte Profis.

Pünktlich um 9:45 Uhr werfen wir den Anker auf Lüneburgs größtem Parkplatz. Ein verwirrendes Geflecht aus PKW-, Wohnmobil-, Motorrad- und Busparkflächen ist zwar umfangreich ausgeschildert, überfordert mich um diese Uhrzeit aber intellektuell. Ich beschließe, dass mir 23 EUR Gebühr für einen Wohnmobilstellplatz zu viel sind, immerhin wollen wir ja nicht die ganze Nacht, sondern nur knapp drei Stunden bleiben. Außerdem ist der Parkplatz für Busse gähnend leer und wir stehen direkt davor.  Mit seinen 7,20 m fühlt sich Walter bei den Bussen bestimmt auch ganz wohl. Also Motor aus, Karl den Kopf getätschelt und raus in die Stadt.

Wenn Walter schon so sauber glänzt, möchte die Dame des Hauses das auch. Und freut sich sehr auf den Friseurtermin. Ich nutze die Zeit ganz mediterran und trinke einen Kaffee in der Sonne mit meinem Großen. Schöner kann ein Samstag gar nicht beginnen. Eigentlich müsste ich mich auch mal wieder scheren lassen, hab aber keine Lust. Dafür fasziniert mich das Spiel der Trommler auf dem Marktplatz und das bunte Samstagstreiben viel zu sehr. Ich wippe neben dem Takt mit dem Kopf, blinzle in die Sonne und denke an – nichts. Es ist ein herrlicher Zustand, und ich habe nicht mal einen sitzen.

Ein paar Scherenschnitte und bewundernde Worte später sitzen wir wieder im Walter. Karl freut sich, dass wir wider Erwarten doch zurückgekommen sind, da entdecke ich einen kleinen, eingerollten Zettel am Scheibenwischer. Zack – 30 EUR für „Parken in einem Verkehrsbereich, der durch Zeichen 250 gesperrt war“. Ich wusste bisher nicht einmal, dass es 250 Verkehrszeichen gibt. Geschweige denn, dass ich eines davon hier gesehen habe. Egal, die Sonne scheint, unsere Laune ist bestens und immerhin haben wir die 23 EUR für den WoMo Stellplatz gespart…

Los geht die wilde Fahrt und falls ich es noch nicht erwähnt habe – mit neuen Stoßdämpfern fährt es sich wie auf Wolken! Herrlich!

Eigentlich, ja eigentlich wollten wir ja nie zweimal an genau den selben Ort fahren. Dafür ist die Welt viel zu groß, es gibt viel zu viel neues zu entdecken und außerdem sind wir ganz doll prinzipientreu.

Genau, und deshalb fahren wir wieder nach Scharbeutz. Zum Wohnmobilhafen. Wir geben uns nicht mal Mühe hier so zu tun, als könnten wir das irgendwie rechtfertigen. Wir fanden es einfach schön dort und waren mit Scharbeutz-Entdecken auch noch nicht fertig.

Also, Blinker gesetzt, abbiegen – und STOP.

Kein Liegeplatz mehr frei. ALLE PLÄTZE BELEGT steht in großen Lettern auf dem Schild vor der geschlossenen Schranke.

Wir glauben ja nicht alles, was geschrieben steht. Aus Prinzip nicht und wo kommen wir denn da hin?

Auf den REWE Parkplatz!

Denn es stimmte tatsächlich. Auch mit freundlich Nachfragen, perfektem Augenaufschlag und allen Überredungskünsten, die von Soni bei mir sofort funktionieren würden – es war tatsächlich kein Platz mehr frei.

Genau wie auf dem nächsten, übernächsten und überübernächsten WoMo-Stellplatz in Scharbeutz und Haffkrug.

Die nächste Möglichkeit, überhaupt einmal anzuhalten, war also der REWE-Parkplatz. Einziger Vorteil: es waren nur 200m bis zum Strand.

Die haben wir schimpfend und zeternd überwunden. Irgendwo im Sand muss noch heute eine Furche sein vom wütend aufstampfen.

Aber wie das immer so ist: „am Meer ist alles besser“

So auch unsere Stimmung. Hilft ja nix, dann stehen wir eben bei REWE.

Außerdem sind die Weinregale bei REWE gut sortiert und so finden wir uns mit einer Flasche bestem Weißwein am Strand wieder.  Karl tobt glücklich den Möwen hinterher, wir philosophieren über die Freiheiten des Camperlebens und haben kurz nach fünf gehörig einen sitzen.

Höchste Zeit, etwas Anständiges zu essen. Der kleine Italiener gleich gegenüber soll es sein.

„haben Sie reserviert?“

„…“

Kleine Italiener können großen Frauen nicht widerstehen. Glaube ich zumindest, denn irgendwie schafft es die gewiefte Platzbesetzerin, uns einen kleinen Tisch in der Ecke direkt neben der Dessert-Vitrine zu ergattern. Und jetzt weiß ich nicht, wohin ich zuerst schauen soll. Zur großen, schönen Frau mir gegenüber oder zu Eiscreme, Tiramisu und Mandelkuchen links von mir.

Aber da ich weder einen noch dickeren Bauch, noch einen schiefen Hals bekommen möchte, entscheide ich mich schnell für die Platzbesetzerin mir gegenüber. Auch langfristig ist das sicher die bessere Entscheidung.

Kurzfristig entscheiden wir uns für Pizza, Pasta und Rotwein. Auch das ist eine sehr gute Entscheidung.

Vor allem deshalb, weil wir nun satt, zufrieden und immer noch angetüddert sind. Das ist ein hervorragender Zustand, um den nächsten eingerollten Zettel am Scheibenwischer zu entdecken. Noch während ich darüber nachdenke, ob wir Schild Nr. 260 vielleicht übersehen haben, fängt die Meinungsbesetzerin an, mit ihrer besten Freundin zu telefonieren. Laut und gackernd. Als Mann gibt es in diesem Fall zwei Möglichkeiten: 1) verpiss Dich irgendwohin und genieße die Ruhe oder 2) ertrage es mit Langmut.

Ich entscheide mich für Variante 2a und mische mich gelegentlich in das Gegackere ein. Eigentlich will ich die Freundin nur überreden, die betrunkene Parkplatzbesetzerin hier und jetzt abzuholen. Ist doch viel schöner als am Telefon… außerdem würde sich für mich dadurch automatisch Variante 1) ergeben. Aber irgendwas stimmt heute nicht, beide teilen meine Begeisterung für den Entführungsplan irgendwie nicht.

Also stehe ich da mit Walter, Karl und einer Verwarnung wegen Missachtung des Zeichens 314. Kostet übrigens einen Zehner. Wenn das so weiter geht und wir bei Zeichen 407 angekommen sind, lohnt es sich vielleicht, zur Nachprüfung zu gehen.

Bis es soweit ist, brauchen wir einen Platz für den Rest der Nacht. Der REWE Parkplatz ist es irgendwie nicht, wer weiß ob uns der hauseigene Sicherheitsdienst hier nicht in ein paar Stunden vom Platz fegt.

Ich starte Walter, Karl springt auf den Beifahrersitz und von der Rückbank wird munter weiter gegackert. Es fühlt sich an wie nach einer Teeny-Party auf dem Weg nach Hause. Papa fährt.

Und der fährt zum Strand. Da haben wir vor zwei Wochen schon mal einen Zettel bekommen, als wir falsch herum auf dem Seitenstreifen standen. Wenn wir uns jetzt richtig herum hinstellen, ist doch alles gut, oder?!

Ich weiß nicht, wer meiner Logik sonst noch folgen kann, jedenfalls habe ich freie Auswahl, alle Plätze auf dem Seitenstreifen sind leer. 10m bis zum Strand, Blick auf die Dünen und dahinter die Ostsee. Perfekt.

Ich entscheide mich für einen Platz neben der Freikirche und der Jugendherberge. Göttlicher Segen und jugendlicher Leichtsinn in friedlicher Koexistenz. Außerdem klemme ich das alte Knöllchen wieder hinter den Scheibenwischer. Falls hier nochmal jemand von Amts wegen vorbeikommt – alles schon erledigt, Kollege!

Inzwischen ist es dunkel und bannig kalt geworden. Beste Voraussetzungen für eine Premiere! Die geliebte Platzbesetzerin ist inzwischen fertig mit telefonieren und aus meinem Plan, sie abholen zu lassen, ist bekanntlich auch nichts geworden. Dann kann ich ja auch freundlich sein und für sie die Heizung starten. Premiere! Ich schalte, ich drehe …. und schon erklingt ein ruhiges, gleichmäßiges Rauschen. Ich mache den berühmten Handrückentest – den Handrücken dicht vor die Lüftungsklappe halten. Und tatsächlich: nach kürzester Zeit verbrenne ich mir fast die Pfoten und im Walter wird es muckelig warm. So warm, dass wir später nicht schlafen können. Aber das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Soni grinst zufrieden, Karl sucht sich den kältesten Platz im Haus und nach einem letzten Strandspaziergang mit spektakulären Lichtern am Horizont ist dieser Tag auch zu Ende.

Ein guter Sonntagsbraten braucht ja so 2-4 Stunden im Ofen. Dann ist er gut durch und trotzdem noch saftig. Nach knapp 7 Stunden im Ofe… ähm Walter waren auch wir gar. Aber alles andere als saftig. Alter Schwede, war das warm hier in der Bude. Alle Luken und Türen auf, tief Luft holen, dann ging es wieder.

Ausnahmsweise verzichte ich auf den ersten Kaffee und gehe mit Karl direkt zum Strand. Denn da bahnte sich etwas an: offensichtlich hat das Lübecker Bucht Marketing den für seine kitschigen Effekte berühmten Marketingleiter des Schweden-Tourismus, Sven Sören Rötebröd, engagiert.

Manch einer unserer lieben Leser erinnert sich: als wir in Schweden waren, sind wir auf all diese Elch-Fisch-Sonnenaufgangs-Marketing-Effekte reingefallen. Und jetzt schon wieder: der Himmel ist feuerrot gefärbt, abstrakte Wolkenformationen sorgen für die notwendige Dramatik und gerade als die glutrot triefende Sonne am Horizont aufsteigt, fährt ein rot-weißes-Fischerboot vorbei.

Und was soll ich sagen: es funktioniert.

Ganz vorne am Strand, fein säuberlich aufgereiht, stehen sie alle und sind auch drauf reingefallen: Touristen mit Handy in der Hand. Verliebte schauen sich eng umschlungen tief in die Augen und von Ferne weht diese eine Liedzeile herüber…. „wenn auf Capri die rote Sonne …“

Was willst Du als Mann da anderes machen, als deine Liebste herbeizuholen, sie fest in den Arm zu nehmen und ewige Liebe zu schwören!? Jawohl, wir können auch kitschig.

Plötzlich fängt eben jene Liebste an, hämisch zu lachen. Ich denke noch einmal kurz an die Autobahnraststätte, aber da sehe ich es auch:

 Eine junge, blonde Frau in weißem Sissi-Hochzeitskleid kommt auf einem viel zu schönen Pferd den Strand entlang geritten. Natürlich ist sie barfuß und auch einen Sattel für das Pferd fand sie entbehrlich. Mein Lieber Herr Rötebröd, jetzt hast Du es aber echt übertrieben! So viel Kitsch gibt es nicht mal bei Rosamunde Pilcher.

Aber in Scharbeutz.

Das schwarze Pferd, die schöne Frau und das wallende Kleid stellen sich als Set für ein Fotoshooting heraus. Statt romantisch ihrem Liebsten entgegen zu reiten, kämpft sie mit dem Pferd, welches nicht ins Wasser will. Dem Fotografen ruft sie zu, dass es kein Problem wäre, das Wasser ist gar nicht kalt. Ich habe es später getestet – sie hat gelogen.

Und statt romantisch dem ewigen Glück entgegenzureiten, muss die Einstellung 15mal wiederholt werden, bis der genervte Hengst sie fast abwirft.

Ob der Fotograf eigentlich die Fregatte der Bundeswehr gesehen hat, die im Hintergrund Manöver fährt?

Nach und nach füllt sich der Strand. Immer mehr Pferde, Hunde und Menschen kommen herbei. Inzwischen strahlt die Sonne hell am Himmel, die magic moments sind vorbei. Stattdessen mischen sich genervte Stimmen unter das Rauschen der Wellen. Hilde kann ihren Hund nicht von der Leine lassen, weil die ollen Pferde da sind. Jaqueline würde auf ihrem Pony gerne mal so richtig ausreiten, aber da sind zu viele Hunde im Weg. Und Johannes hat Angst, in Hunde- oder Pferdescheiße zu treten, die ganzen Viecher haben hier am Strand doch nichts verloren.

Bevor wir auch noch mahnende Worte an die Toleranz aller Beteiligten verlieren, gehen wir lieber frühstücken. Moment, da fällt mir ein. Wir stehen ja immer noch illegal auf dem Seitenstreifen. Ein kurzer Blick zum Scheibenwischer – check! Einsam und verlassen klemmt das alte Knöllchen. Diese Nacht ging auf’s Haus. Danke liebes Ordnungsamt!

Wir parken um, 2 EUR für eine Tageskarte finden wir angemessen und schlendern zurück zum Strand. Soni will Frühstück holen, Karl will mit den anderen Hunden spielen, Björni will nix. Außer seine Ruhe. Und die bekommt er. Geschlagene 40min stehe ich am Strand und warte. Zur selben Zeit, an anderem Ort – nämlich vor dem Bäcker – steht Soni in der Schlange und wartet. Aber es lohnt sich.

Klare Bäckereiempfehlung in Scharbeutz: Bäckerei Junge. Wirklich mit Abstand die besten belegten Brote, Brötchen und Kuchen, die wir je hatten.

Was will man(n) eigentlich mehr? Ein perfekt inszenierter Sonnenaufgang – Romantikkonto aufgefüllt. Belegte Brote mit Lachs, Schinken und Käse – satt für mindestens 3 Stunden. Ein kräftiger Kaffee und eine gut gelaunte Strandbesetzerin an der Hand….

…ach so, ja! Einen ruhigen Stellplatz für die nächste Nacht.

Vorsicht – manchmal gehen Wünsche ja auch in Erfüllung. Und so sind dort, wo am Abend vorher alles ausgebucht war, an diesem Morgen plötzlich 30 Plätze frei geworden.

Wir suchen uns den schönsten aus, bezahlen ausnahmsweise offiziell und vorher, werden dafür aber ausgesprochen herzlich begrüßt.

Es ist Sonntag, Mittagszeit und Kaiserwetter. Und was hätte der Kaiser gemacht? Genau! Lunch und einen Gespritzten.

Wir sind zwar nicht Kaiser, fühlen uns aber so. Deshalb gibt’s für jeden einen Aperol, ein Clubsandwich und ein wenig BeefTartar.

Am Tisch schräg gegenüber gibt’s stilles Wasser, einen Anschiss für die Kinder und Augenkrebs. Alter, wie kann eine ganze Familie rosa sein? Wirklich, alle! Und praktisch komplett. Ich wusste gar nicht, dass man sich bei Ralph Lauren vollständig in rosa einkleiden kann. O.k. bei ihr und der kleinen Tochter kann das ja mal passieren. Nicht schön, aber auch nicht selten.

Aber bei IHM? Jaja, „Männer können auch rosa tragen“. Nein, können sie nicht. Sieht einfach scheiße aus. Der Beweis saß drei Tische weiter, schlürfte stilles Wasser und motzt die Kinder an. Und sah scheiße aus.

Bevor wir uns hier in oberflächlichen Klischees verlieren…. nein, man! Ich will mich da jetzt reinsteigern. Die ganze Zeit musste ich dahin guck….

„Schatz, noch einen Aperol?“

„Ja, gerne“

Viele weitere Klischees konnten wir beobachten, zum Beispiel dass die meisten Hunde ihren Herrchen/Frauchen ähnlich sahen. Oder umgekehrt. Das soll ja so ein Naturgesetzt sein, dass sich Menschen und ihre Hunde ähnlich sehen. Stimmt auffallend, das haben wir beobachtet.

Aber warum eigentlich? Und wem von uns sieht Karl ähnlich? Ich finde, das sollten wir mal in einem der nächsten Podcasts erörtern.

Apropos später erledigen. Alles, was wir an diesem Tag noch erledigen wollten, haben wir auf später verschoben. Denn was gibt es Schöneres, als nach Aperol und Clubsandwich ein Nachmittagsschläfchen zu halten? Ich persönlich vertrete ja die These, dass das zu einem perfekten Sonntag dazugehört. Habe ich als Kind anders gesehen, aber jetzt…. unbedingt!

Als wir langsam wieder wach werden, steht die Sonne schon sehr tief. Jetzt aber schnell noch einmal an den Strand, immerhin haben wir gleich eine Verabredung.

Wir haben ihn heute Vormittag schon gesehen, Jumbo. Er steht ganz vorne und wir kennen ihn von Bildern. Jumbo ist natürlich ein Wohnmobil, immerhin sind wir hier im Wohnmobilhafen. Und Jumbo ist das neue zuhause von Michael und Claudia. Neues zuhause meint tatsächlich „zu Hause“, denn Michael und Claudia haben das getan, was auch mir gelegentlich im Kopf umhergeistert: sie haben Haus und Hof aufgegeben und wohnen seit 1 Woche komplett im Wohnmobil. Wir kennen uns von facebook – hier schreiben beide ihre Geschichten auf, genau wie wir.

Und wer hätte das gedacht: wer sein Leben so cool ändert, ist auch selbst ein cooler Typ. Es dauert keine 3 Minuten, da hat er mich schon bloßgestellt. Was weiß ich denn, was für eine Achse Walter hat, ob er das 260er oder 280er Modell ist. Walter ist Walter. Und mehr als 100 schafft er nicht. Der Rest steht irgendwo in den Papieren. Michael wundert und freut sich. Denn tatsächlich kennt er alle Details. Von Jumbo und jetzt auch von Walter.

Stolz berichten wir, von der Heizungspremiere. Wir plaudern über teure Wohnmobile, die sich nur Senioren oder Privatiers leisten können, die ideale Innenraumtemperatur und jammern darüber, dass alles immer teurer wird.

„Aber weißt Du was? Wir brauchen gar keine Kohle. Wir heizen mit Gas“

Michael, Ende Oktober kommen wir wieder. Und dann gebe ich dafür einen aus!

Jetzt müssen wir ins Bett, morgen geht es früh los und wenn es läuft wie immer, haben wir ja 5 Stunden Fahrt vor uns… Gute Nacht Ihr Lieben!

Einmal alles, bitte

Das kannst Du Dir nicht ausdenken!

Da sind wir endlich mal wieder unterwegs – ein Kurztrip an die geliebte Ostsee – und es passiert…

…. nichts.

Ja, wirklich. Wir kommen pünktlich los, Walter schnurrt, wir bekommen den letzten Stellplatz und haben zwei wundervolle, halbe Tage am Meer.

Es gibt eigentlich nichts zu berichten, außer dass es einfach schön war.

Und nu?

Sitzen wir trotzdem vorm Mikrophon. Und was soll ich sagen? Selbst das funktioniert.

Also quatschen wir uns einfach mal quer durch den Gemüsegarten. Es ist alles dabei: kleine, banale Alltagsgeschichten, Martin Rütter, Zelten in der DDR, Frühstück am Meer und philosophische Betrachtungen über Karl.

Dann fällt Soni ein, dass wir ja noch erzählen wollten, wie alles begann. Machen wir auch.

Und weil heute Feiertag ist, hast Du ja auch Zeit, uns zuzuhören. Oder?!

Oder hier direkt bei Spotify hören.

Apropos Feiertag: hätte es den 3.Oktober nicht gegeben, wäre ich jetzt nicht hier.

Sondern wegen „widerständischem Verhalten“ im Knast. Glaubt jedenfalls Soni.

„Bin ich jetzt in Färnseehn?“

Soni ist aufgeregt.

„Was ziehe ich denn nur an?“

„Und was sagt man da so?“

„Ach ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee war“

Die beste Freundin wird konsultiert, es wird ein laaaaanges Telefonat.

„So ein Foto verzeiht ja auch nix, also pass auf“ ist der konstruktive Rat.

Ich stehe daneben und grinse. Das ist ein bisschen unfair, ich weiß. Aber sie ist so niedlich dabei.

Dabei muss ich zugeben, dass auch ich mich sehr gefreut habe, als der Redakteur der örtlichen Tageszeitung bei mir anrief. Diesmal wollte er nicht über Verspätungen, Zugausfälle oder angebliche Freifahrtwochen sprechen – nein, er wollte mich, wollte uns, privat interviewen. Weil wir die Platzbesetzer sind und darüber schreiben und sprechen.

Soviel Aufmerksamkeit für unseren kleinen Blog freut uns dann ja doch.

Als es an der Tür klopft, hat Soni sich schon wieder beruhigt. Karl nicht. Er tut, wofür er bezahl… ähm gefüttert wird: er bellt, passt auf und flüchtet vor dem fremden Mann unters Sofa. Alles wie immer, gut so.

Wir setzen uns dorthin, wo sonst die Podcasts entstehen. Den obligatorischen Rum möchte unser Gast nicht, er müsse noch fahren. Wir denken kurz darüber nach, aber es ist ja erst Nachmittag und so bleibt die Flasche nur Dekoration fürs Foto.

ABER: wir dürfen das Mikrophon aufstellen und unser Interview als Podcast aufnehmen. Alles wie immer also, gut so.

Gegen Lampenfieber bei einem Interview hilft ein wenig Vorbereitung. Also habe ich der geliebten Platzbesetzerin ein paar Fragen und Themen aufgeschrieben, die uns der Redakteur wahrscheinlich stellen wird. Sie sagt, sie hat nichts vorbereitet, konnte sich aber gedanklich sortieren. Vorher.

Beim Interview ist von der Sortierung natürlich nichts mehr übrig. Wir plappern drauf los, springen von Anekdote zu Anekdote und lachen uns tot. Jetzt ein Rum wäre geil – ach nee, der Nachmittag.

Nach einer Stunde ist noch längst nicht alles gesagt – aber sein Notizblock ist voll. So ein Mist. Und dann sagt er noch, er hätte ja auch längst alles, was er bräuchte. Man eh, wir sind doch gerade erst warmgelaufen.

Zum Abkühlen geht’s nach draußen zu Walter. Ein schnelles Foto und schon muss er los, unser rasender Reporter.

Wir bleiben zurück und mir fällt etwas auf. Da habe ich vor zwei Tagen doch so schön unser Platzbesetzer-Logo ausgedruckt und „zufällig“ an die Wand gehängt. Ganz so, als wäre es in einem kreativen Moment da hängen geblieben.

Das gibt einen tollen Hintergrund fürs Foto“ habe ich Schlaumeier mir so gedacht.

Ja, stimmt. Wenn man das Interview und Foto denn auch dort macht, wo das Logo hängt. Und nicht nebenan beim Rum.

Wie auch immer, wir sind freudig erregt und wollen schnell noch den Podcast sichern, bevor wir uns einen einschenken. Immerhin ist es jetzt schon fast Abend.

Ich lade die Aufnahme hoch und drücke routinemäßig „play“ um noch einmal reinzuhören.

….

Ah ja, Moment. Den Lautsprecher anschalten.

….

Hmm

….

„Soni, kannst Du den Podcast mal auf Deinem Rechner abspielen?

….

Ich brauche jetzt einen doppelten Rum. Da ist nix, außer Stille. Nichts, gar nichts wurde aufgenommen. Da ich niemandem sonst die Schuld rüberschieben kann, ärgere ich mich still vor mich hin. Hilft ja nix.

Naja, heute nun war der große Tag, der Artikel ist erschienen. Wirklich schön und angenehm geschrieben. Es fehlt nur die Hälfte. Oder so. Er hat tatsächlich nur das geschrieben, was ihn interessiert hat. Unser ganzes restliches Geplapper hat er weggelassen. Oder der Notizblock war schon viel länger voll.

Die beste Freundin bekommt ihn natürlich als erstes zu lesen.

„Wow – Ihr seht ja richtig gut aus.“

Mal sehen, ob sie den Artikel tatsächlich auch noch liest.

Wir jedenfalls nehmen morgen eine neue Folge auf – und erzählen Euch darin, was wir dachten, was den Redakteur sonst noch so brennend interessiert hätte, könnte, wollte…

Lass das!

Soni hat recherchiert – und möchte mit Björni über Regeln sprechen.
Na Prost! Das kann ja was werden.

Es gibt ja überall so unausgesprochene Regeln. Klar, die meisten Regeln sind aufgeschrieben, an irgend eine Wand genagelt und deren Einhaltung wird überwacht. z.B. vom Platzwart.

Die unausgesprochenen Regeln sind da schon schwieriger. Entweder Du kennst sie nicht – oder Du akzeptierst sie nicht. In beiden Fällen hast Du ein Problem.

Das Thema ist mir nicht ganz fremd, ich habe seit 47 Jahren immer mal wieder ein solches „Problem“. Mal größer, mal kleiner.

Ich mag Regeln nicht. Jaja, inzwischen bin ich in der Lage, mich an einige zu halten. Aber mögen? Nö! Ich nenne es lieber Anstand. Aber so starre Regelwerke? Brrrrr….

Soni dagegen mag Regeln. Am liebsten aufgeschrieben. Dann kann sie nämlich nachlesen, wogegen sie da gerade ganz bewusst verstößt.

Folgende, unausgesprochenen Regeln auf dem Campingplatz hat Soni recherchiert:

Don’t:

  • Dem Nachbarn zu nah “auf die Pelle rücken”: Insbesondere wenn die Grenzen für das Freiluft-Feriendomizil nicht klar abgesteckt sind, sollte beim Camping beachtet werden, wo das Terrain des Nachbarn beginnen könnte – deshalb nach Möglichkeit zu allen Seiten abstimmen
  • Gruß- und namenlos auf dem Campingplatz umher wandeln: Eine höfliche Vorstellung per “Sie” oder “Du” ist üblich – die meisten Camper bevorzugen die private Anrede
  • Mit Grillschwaden die Luft aromatisieren: Ein Grill ist leicht portabel und lässt sich so aufstellen, dass die Nachbarn nicht durch Rauch und Ruß belästigt werden
  • Ausgiebiges Duschen wie zuhause: Bitte nur außerhalb der üblichen “Stoßzeiten”, damit die Warteschlange kurz und das Wasser für andere Camper warm bleibt
  • Das Lautstärke-Potential von Radio oder Ghetto-Blaster vollumfänglich ausschöpfen: Auch außerhalb der in der Hausordnung fixierten Zeiten für die Nacht-beziehungsweise Mittagsruhe gilt es, den Lautstärkepegel von Audio-Geräten maximal im Bereich von Zimmerlautstärke zu halten

Do’s:

  • Beim Aufbau von Caravan, Wohnwagen oder Zelt umsichtig vorgehen: Unnötige Sichtbarrieren und Stolperfallen für die Nachbarn durch Zeltschnüre und (Wäsche)leinen vermeiden
  • Ordnung halten: Herumliegende Handtücher, benutztes Geschirr und andere persönliche Utensilien stören das Ordnungsempfinden vieler Camper
  • Auf angemessene Bekleidung achten: Ein Übermaß an Freizügigkeit ist außerhalb von FKK-Plätzen unerwünscht
  • Unaufgefordert Nachbarschaftshilfe anbieten: Dem Nachbarn ohne ausgesprochene Frage Hilfe anzubieten ist unter Campern selbstverständlich – ob beim Auf- und Abbau oder beim Befeuern der Grillstelle
  • Kindern klare Grenzen aufzeigen: Mit Reißverschluss zugezogene Zelteingänge beispielsweise sind wie abgeschlossene Türen – jüngere Kinder müssen die Verhaltensregeln auf dem Campingplatz erst erlernen

Na dann – lasst uns drüber sprechen…

Viel Spaß beim zuhören!

oder direkt bei Spotify hören

Und sagt mal: was sind Eure ganz persönlichen do’s & don’t’s? Beim Camping und überhaupt? Wir sind gespannt!

Das Wohnmobil muss weg – und dann gibt es Rouladen

Was machen wir eigentlich, wenn wir mal nicht unterwegs sind?

Fernweh haben und das Wohnmobil umparken.

Und dann sitzen wir zu Hause, beobachten, staunen und genießen die Aussicht. Eine Geschichte aus dem stationären Leben in einem kleinen Dorf in Niedersachsen.


Neulich sitze ich hier zu Hause auf der kleinen „früh-morgens-Terrasse“ bei Kaffee, Zigarette, Sonnenaufgang und träume so vor mich hin.

Da höre ich hinterm blauen Zaun zwei ältere Damen schnattern, die auf dem Weg zum Arzt, zum Edeka oder sonst was sind und hier vorbei kommen:

„das olle Wohnmobil stört mich hier aber“

„ja, mich auch. Das versperrt hier ja die ganze Sicht. Dat muss wech“

Nun, ich weiß nicht welche Sicht sie meinen, vielleicht mussten die Damen aber ja auch zum Augenarzt. Jedenfalls gibt es rechts von Walter eine Häuserwand, links von ihm die Straße. Beides finde ich nicht allzu sehenswert. Aber was weiß ich denn schon ….

Jedenfalls habe ich erst geschmunzelt und dann gedacht:

„jo, stört mich auch!“

Statt auf dem Parkplatz hätte ich „Walter“, das Wohnmobil nämlich viel lieber auf einem schönen Stellplatz. Am Meer. Mit uns darin.

Geht leider nicht, wir sind zu Hause, müssen arbeiten und das WoMo steht vor der Tür. Jedenfalls so lange, bis wir unseren ganzen Kram ausgeräumt hatten. Seitdem steht er wieder auf seinem großen Ruheplatz und die Sicht auf die Hauswand ist frei. Gern geschehen, liebe Damen.

Nun sind wir also wieder zu Hause in diesem kleinen, beschaulichen Ort und das Fernweh ist groß. Was macht eigentlich den Unterschied aus zwischen „zu Hause“ und „unterwegs“?

Ja, wir lieben das #hausmitdemblauenzaun. Wirklich. Schon als wir es das erste Mal gesehen haben, haben wir uns verliebt. Ging mir mit der Hausbesetzerin übrigens genauso, aber das ist eine andere Geschichte und die soll ich hier nicht erzählen. Sagt sie.

Das Haus mag uns auch, jedenfalls ist es groß, warm und sehr freundlich. Kein Wasser im Keller, egal wie sehr es regnet. Hübsch anzuschauen, egal von welcher Seite. Groß und einladend, egal was wir gerade tun. Die alten Mauern erzählen Geschichten aus 120 Jahren. Und der Garten grünt und blüht, dass es nur so eine Pracht ist. Apropos, ich müsste mal wieder Rasen mähen.

Walter, das Wohnmobil dagegen? Klein ist es innen, so dass ich mich immer ganz eng an die geliebte Platzbesetzerin schmiegen muss, wenn ich mal an ihr vorbei muss. Kühl ist es, wenn die Sonne in Schweden nicht scheint. Alt ist Walter auch – und im Gegensatz zum Haus merkt man ihm das Alter aber auch an. Irgendwie kompliziert ist Walter auch. Ständig muss man irgend etwas verstauen, öffnen, schließen, anschalten, ausschalten, entleeren, auffüllen. So ein Haus mit allem drum und ran ist schon sehr komfortabel.

Doch nun steht Walter eben eine Weile still und wir genießen den Komfort der ehrwürdigen Mauern. Ich beobachte derweil gespannt, was hinter dem blauen Zaun so passiert.

Neulich haben wir auf einem Stellplatz ein älteres Pärchen aus dem Rheinland getroffen. Für sie war es lebensnotwendig, dass sie während der Karnevalszeit unterwegs sind – am liebsten ganz hoch im Norden bei den härtesten Karnevals-Verweigerern. Nur eben um jeden Preis nicht zu Hause.

Sie haben uns erzählt, wie sich die Karnevals-Vereine gegenseitig überbieten wollen. Wer hat das ausgefallenste Kostüm, wessen Wagen ist größer, bunter, verrückter? Wer hat die lauteste Musikbox, verträgt am meisten Alkohol und hat die mutigste Büttenrede.

Ich habe mir damals nicht viel dabei gedacht, die Aktivitäten zum Karneval sind hier im Norden ja auch eher homöopathisch.

Ich wäre trotzdem gerne für ein paar Wochen nicht zu Hause gewesen. Vielleicht im Rheinland? Bestimmt gibt es dort ein Örtchen, in dem gerade keine Kommunalwahlen stattfinden? Oder auf einem Campingplatz. Dort wird ja nicht um Wählerstimmen gerungen, sind ja alle von „auswärts“ auf so einem Platz.

Wenn Du aber zu Hause bist, bist Du mittendrin. Volles Brett. Also im Wahlkampf. Im Karneval wahrscheinlich auch, aber das kann ich nicht beurteilen.

Es fängt damit an, dass plötzlich uralte Geschichten hochgespült werden. Das Dorf, in dem Du lebst, gibt es ja zweimal. Mindestens. Also einmal physisch, so ganz real mit 120 Jahre alten Mauern, blauer Zaun, Straße, Edeka, Siglinde von nebenan und seit zwei Jahren defekter Straßenlaterne.

Das selbe Dorf gibt es aber noch einmal. Als Facebook-Gruppe. Die Bewohner sind gleich, sie verhalten sich nur anders.

Während man sich im echten Dorf noch anständig grüßt, auf dem Weg zum Augenarzt belanglos plaudert und dem ein oder anderen auch einfach mal aus dem Weg gehen kann, geht es im Facebook-Dorf zu wie auf dem Schützenfest kurz vor „letzte Runde“. Da brüllt einer vom Tresen quer durchs Festzelt, dass ihm etwas nicht passt. Irgendwas ist ja immer, zum Beispiel das Bier zu warm oder die Musik ist scheiße. Er (der Brüller) ist so voll, dass ihn kaum jemand versteht. Außerdem kennen ihn alle, der brüllt immer, wenn er voll ist.

„jaja, Paul. Ist gut“ hört man dann.

Viel mehr passiert meist nicht, im echten Dorf. Falls doch, falls Gert noch neben ihm sitzt oder er umfällt am Tresen, gibt es was Neues zu erzählen im Dorf. Zum Beispiel auf dem Weg zum Augenarzt. „hast Du schon gehört, der Paul hat wieder….“

Nach ein – zwei Wochen hat es jeder gehört, dann ist es aber auch wieder gut. Jedenfalls bei den kleinen Skandalen. Bei den größeren dauert es auch schon mal länger. Das kann sich dann schon mal entwickeln. Am Ende geht sich dann irgendwer aus dem Weg oder wird nicht mehr zum Geburtstag eingeladen. Aber dann muss es schon um etwas gehen. Etwas Wichtiges für alle. Neue Freundin oder falsch geparkt oder so.

Im Facebook-Dorf geht es immer um grundsätzliches. Das warme Bier wird zur Klimakatastrophe, Gert hat grundsätzlich keine Ahnung von irgendwas und soll froh sein, dass ….

So weit, so normal. Aber nu is Wahlkampf.

Und wer bis dahin sowohl im echten als auch im Facebook-Festzelt still in der Ecke gesessen und sein Bier getrunken hat, der steht jetzt auf und steigt auf den Tresen. Denn er muss da dringend mal etwas loswerden, wirklich wichtig, existentiell. Immerhin geht es um alles bei dieser Wahl, AAALLLLES!

Und wie er da so steht auf dem Facebook-Festzelt-Tresen brüllt er heraus, dass Kandidat 1 vor zwei Jahren mal „guten Morgen“ gesagt hat. Am frühen Nachmittag. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Wer beim Grüßen schon lügt, dem kann man doch gar nichts mehr glauben. Unwählbar!

Unser Freund auf dem Tresen hat zwar letzte Woche seinen eigenen Hochzeitstag vergessen, aber an das „guten Morgen“ vor zwei Jahren erinnert er sich genau. Und viele andere im Zelt auch. Sie stürmen herbei und diskutieren wild.

Der nächste steigt auf den Tresen. Er fährt zwar seit 6 Monaten mit abgelaufenem TÜV durch die Gegend, aber auf den Wahlplakaten von Kandidat 2 fehlt ein Logo. Er hat das überprüft. Das ist doch Betrug. Wie gut, dass er es rechtzeitig gesehen hat und alle anderen warnen konnte.

Und da, noch einer. Das ist der, der im Winter seinen Schnee vorm Haus immer zum Nachbarn rüber schiebt. Er hat genau gezählt. Kandidat 2 hat vier Plakate mehr aufgehängt als der andere. Schnell lädt er noch eine Karte hoch, in der er die Standorte genau eingezeichnet hat.

Die Menge vorm Facebook-Tresen jubelt. Endlich spricht es mal jemand aus. So geht es hin und her. Jeder, der will, darf mal auf den Tresen. Die Themen werden belangloser, die Kommentare hitziger.

Ich stelle mir vor, die würden sich im echten Festzelt gegenüber sitzen. Ja klar, da gäbe es Bier oder so. Dadurch wird es automatisch lauter und hitziger. Aber so? Unvorstellbar, dass sich Paul jemals wieder 3 Eier von Gert holen könnte, weil er die beim Einkaufen vergessen hat. Oder ihm ein Bier ausgibt, einfach weil er gerade da ist.

Apropos: wählen Sie niemals einen Kandidaten, der im Wahlkampf Bier trinkt, während er mit seinen Wählern spricht. Skandal! Hoffentlich hat er es wenigstens selbst bezahlt. Das Bier.

So, und nun kommst Du nach einem langen Wochenende mit Walter an der Ostsee wieder nach Hause geschaukelt. Bist entspannt, hast am Strand gelegen. Hast fröhliche Rheinländer getroffen, die froh sind, dass es hier keinen Karneval gibt. Und hast noch dieses wohlige Rauschen der Ostsee im Ohr.

Aber jetzt, wo Du zu Hause bist, fängst Du wieder an, im echten und im Facebook-Dorf mal „hallo“ zu sagen.

Ich habe mich dabei erwischt, wie ich auf dem Weg zum Bäcker die Plakate gezählt habe. (Gleichstand übrigens).

Beim Essen mit Freunden im Dorfkrug bestelle ich lieber einen Wein, Bier ist ja irgendwie …. skandalös.

Und wenn mein Nachbar mir an der Kasse im Edeka noch einmal „Moin“ zuruft, obwohl es gleich dunkel wird ….

Das Pendant zu „letzte Runde“ im Wahlkampf ist ja der Wahlsonntag. Selbst im Facebook-Dorf herrscht langsam Ruhe.

Im echten Dorf gibt es am Samstag noch ein letztes Stelldichein der Kandidaten. Fein säuberlich sind sie die Dorfstraße entlang aufgereiht. Da siehst Du sie in echt – die Betrüger, Lügner, Nichts-Könner und Biertrinker. Komisch, sehen alle ganz nett und irgendwie harmlos aus. Würde ich sie nicht schon lange persönlich kennen, nach den Beschreibungen im Facebook-Dorf hätte ich sie nicht erkannt.

Wahlsonntag. Wir müssen früh los. Freundlicherweise wurden wir nämlich wieder einmal zu Wahlhelfern ernannt, diesmal sogar „Wahlvorstand“. Hohoho.

Für die nächste Wahl wünsche ich mir, dass Paul das mal … ach nee, der hat ja im Festzelt zu tun.

Trotzdem bin ich tatsächlich überzeugter Wahlhelfer und so stiefeln wir im Morgengrauen los. Instinktiv will ich die Plakate zählen, ob nicht auch auf diesem Weg noch ein handfester Skandal lauert. Aber nichts da. Kein einziges Plakat ist mehr da, wo es vorher aussah wie an der Schießbude. Alles leer, alles weg. Freie Willensentscheidung für freie Wähler. Ich bin beeindruckt, von allen Kandidaten.

Wir bauen also auf, es gibt drei Stimmzettel für drei Wahlen. Klein, mittel, groß. Blau, gelb, grün. Entsprechend bauen wir die Wahlurnen auf, blau, gelb, grün. Die Wahlurne mit dem kleinsten Einwurfschlitz wird für den größten Stimmzettel sein. Aber das merken wir erst später, als die Urne versiegelt ist. Also werden wir heute mehr als 200mal behaupten, das sei Absicht gewesen, um ein wenig Spaß in diese trockene Angelegenheit zu bringen.

Der erste Wähler kommt punkt 8:00. Er hat sich seine Joggingrunde so eingeteilt, dass er genau 8:00 hier sein kann. Etwas später erfahre ich von einem anderen Wahlhelfer, dass der sportliche Herr immer der erste an der Urne ist, bei jeder Wahl. Man kennt sich.

Apropos kennen. Das ist es, was wirklich schön ist, bei einer Wahl zu helfen: zu Menschen, die Du seit Jahren kennst, beim Bäcker nett plauderst oder auf dem Weg durchs Dorf fröhlich zuwinkst, bekommst Du jetzt einen Namen.  Oder zwei. Nicht jedes traute Paar im Dorf ist auch verheiratet. Oder nicht miteinander. Und plötzlich weißt Du, wer wessen Bruder ist und dass XY jetzt in Deiner ehemaligen Wohnung wohnt.

(Für alle, die jetzt Angst vor Indiskretion haben: ich kann mir Namen nicht merken, konnte ich noch nie. Heute morgen habe ich eine Dame wieder getroffen, deren Wahlbenachrichtigung ich gestern abgehakt habe. Sie kannte meinen Namen noch. Ich habe es bei „Moin, na, hatten Sie noch einen schönen Sonntag“ belassen.)

Manchmal geht einem das Herz auf. Zum Beispiel, wenn sich Oma und Opa extra schick machen, um zur Wahl zu gehen. So richtig mit Anzug, gestärktem Kragen und Gehstock. Sie sind richtig vorbereitet, haben alle Dokumente in Folie eingeschlagen mitgebracht, haben sich über die Kandidaten informiert und Opa hat den goldenen Kugelschreiber dabei, den er nach 45 Dienstjahren bei ThyssenKrupp bekommen hat. Aber dennoch gibt es ein Problem: Oma kann nicht wählen. Sie sucht überall, in Ihrer feinen Handtasche, in Opas Jackett, sogar auf Ihrem Kopf. Nichts.

Naja, meine schwarze Lesebrille passte zwar nicht zu ihrer hellblauen Bluse, aber sie kann alles erkennen und hat am Ende hoffentlich richtig gewählt.

Im Wahllokal brauchst Du übrigens keine Uhr.

Wenn der Erste vor der Tür steht, ist es Punkt 8:00 Uhr. Die erste größere Welle kommt kurz vor 11, zumindest wenn die Kirche gleich nebenan ist.

Wenn es das erste Mal ruhig und leer bleibt, ist es 12:00 Uhr. Wenn es dann wieder losgeht, 13:00 Uhr.

Und wenn dann noch jemand hektisch angelaufen kommt und erleichtert seinen Ausweis zeigt, ist es gleich 18:00 Uhr.

Meine Lieblingswähler waren übrigens ein Paar im etwas höheren Alter. Sie kamen händchenhaltend herein, so schnell wie es eben ging mit der neuen Hüfte.

Ich sage mein Sprüchlein auf „auf diesem Stimmzettel haben Sie drei Stimmen. Diese können Sie frei verteilen, ganz wie wollen“

„Ach was, da muss ich erstmal meine Frau fragen“

Ich mag Wahlen. Es ist ein schönes, würdiges Ritual und meine ganz persönliche Meinung ist, dass sie wichtig sind. Sehr wichtig.

Bis 18:00 Uhr. Dann wird es albern – und anachronistisch.

Die Auszählung findet nämlich statt wie vor 100 Jahren. Per Hand. Auf einem großen Tisch oder auf dem Fußboden, je nachdem, was gerade da ist.

Tonnenweise Papier, was auf hunderte, kunstvolle Arten gerade erst gefaltet wurde, wird wieder entfaltet. Und dann sortiert. Und dann gezählt. Und nochmal gezählt.

Dann wird gerechnet. Und nochmal gerechnet.

Ganz ehrlich, das Finanzamt weiß in dem Moment, in dem ich mit der EC-Karte beim Edeka bezahle, wieviel Mehrwertsteuer es von mir gerade bekommen hat. Und wir zählen Wahlzettel mit der Hand aus? Und rechnen Türmchen nach Erst- Zweit- und Drittstimme? O.k., es ist sicher. Wirklich. Da kannst Du nicht schummeln, verschieben oder weglassen. Aber das ist es beim Finanzamt auch.

Nach 3,5 Std. sind wir fertig. Physisch, psychisch und auch mit dem Zählen und rechnen.

Das Ergebnis wird nach jeder Zählung telefonisch an den Wahlleiter durchgegeben, der die Zahlen dann in ein online-System eintippt.

Meine Aufgabe war es anschließend, alle Stimmzettel, die jeweils 10 seitigen, unübersichtlichen Formulare für die Wahlniederschrift und anderen Krimskrams zum Wahlleiter zu tragen. Drei ehrlich bemühte Staatsdiener kontrollieren dann noch einmal alles. Alles, und zwar sehr genau.

Nach einer Stunde war ich dann auch dort fertig.

Als ich durch das Dorf nach Hause gehe, genieße ich die kühle Nachtluft. Aus der Ferne höre ich die Wahlparty eines Kandidaten. Ja, der Trend hatte sich auch bei uns schon abgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch und gutes Gelingen!

Ich schaue noch kurz im Facebook-Dorf vorbei. Alles ruhig. Nur bei Paul gab es heute Rouladen. Wie schön, die könnten wir auch mal wieder essen. Er hat drei Likes dafür bekommen, jetzt sind es vier.

(k)einen Elch erlegt

(13.08.2021)

Wir lernen ja auch dazu. Und so kam es, dass ich an der Reception des Campingplatzes nach einem Tagespass fragte. Nun baue ich im englischen keine fein ausformulierten Akademiker Sätze, aber bislang hat es in allen Hafenkantinen gereicht, um zu bekommen, was ich wollte. Und hier in Schweden hat es sich mitunter sogar zu einem netten Smalltalk entwickelt.

Also, ich sag mal daran lag es nicht, dass der sehr freundliche Schwede hinterm Tresen dreimal nachfragte, ob wir wirklich nur 2 Stunden bleiben wollen. Grauwasser und Kassette entleeren, Frischwasser und Strom tanken, duschen. Mehr brauchten wir gerade nicht, und das gerne schnell. Wir hatten ja einen reservierten Traumplatz, zu dem wir so schnell wie möglich zurück wollten.

„ok, ok, clean up your systems and have a nice day” gab er irgendwann auf, mich zu einer Übernachtung überreden zu wollen. Übrigens eine unserer besseren Entscheidungen auf dieser illustren Reise.

Während ich mich um das Grobe kümmere, packt die geliebte Platzbesetzerin schon mal ihre sieben Sachen zusammen und geht duschen. Ich drücke ihr noch schnell vier 5-Kronen-Stücke in die Hand (übrigens das einzige Mal überhaupt, dass wir Bargeld brauchten), denn die braucht es hier offensichtlich zum Duschen.

Alle Tanks sind gefüllt, nur der Laptop braucht noch 20min zum Aufladen, als mich von hinten ein frischer Duft anweht. „ui, was….“ weiter komme ich nicht. Sie gackert und giggelt und kommt gar nicht dazu mir zu erzählen, was eigentlich los ist. „genau so stelle ich mir die Duschen im Schwimmbad von Eis am Stiel vor“

„Hä?“

„schau es dir selbst an! Ach ja, du hast genau 3,5 Minuten, die anderen Münzen brauchte ich leider“ und verschwindet kichernd im Walter.

Ich wollte mir das gar nicht anschauen, ich wollte eigentlich nur wissen, warum sie Eis am Stiel kennt. Aber da sie nun schon weg ist, kann ich ja mal duschen – und gucken – gehen.

Noch bevor ich etwas sehen kann, habe ich einen Geruch und Bilder meiner Kindheit vor Augen: Trainingslager und Gemeinschaftsduschen. Diese Mischung aus Chlor, Muff und alter Seife. Im Raum vor mir ist die Zeit stehen geblieben – irgendwann in den 70ern. Alte, abgebröckelte Fliesen, Duschkabinen aus Leichtbau-Quitsch-ich-weiß-nicht-was-für-Material-die-damals-genommen-haben. Natürlich beginnen die Kabinenwände erst 20cm über dem Boden und sind gerade eben so hoch, dass ich nicht mehr drüber schauen kann.

Die Kabinen selbst sind wirklich gerade so groß, dass man darin duschen kann, zum Umziehen stehen zwei weiße Plastikstühle im großen Raum davor. An der Wand eine abenteuerliche Verkabelung – und drei Münzautomaten mit den Nummern 1, 2 und 3. Bei genauem Hinschauen lassen sich diese Nummern dann auch auf den Türen der Duschkabinen erahnen.

Drei Waschbecken auf der anderen Seite, metallisch angelaufene Spiegel, bei denen immer unten diese eine Ecke abgesplittert ist. Kann mir mal jemand sagen, warum?

Ach ja, und in der Ecke, neben dem einen Plastikstuhl, rumpelt ein Luftentfeuchter.

Habt Ihr schon mal versucht, im Nieselregen zu duschen? Da holst Du dir eine Erkältung, aber nicht den Dreck vom Körper. Für eine 5 Kronenmünze gibt es exakt 3,5 Minuten und 1,5 Liter lauwarmes Wasser. Dafür musst Du aber erst die Münze in den passenden Automaten werfen und möglichst schnell zu der (deiner) Kabine zu laufen. Nackt. Auf alten Fliesen.

Weniger erfrischt, dafür um so mehr amüsiert, kehre ich zur Mannschaft zurück und verkünde, dass ich mich nie wieder gegen den Aufenthalt in einem Campodrom oder anderen Fünf-Sterne-Camping-Plätzen wehren werde. Auch wenn der Tagespass dort wahrscheinlich das fünffache kostet.

Egal! Walters und unsere Systeme sind clean, Strom und Wasser reichen wieder für mind. 3 Tage, los geht’s!

Unser nächstes Ziel: ein großer Supermarkt. In den letzten Tagen haben wir den perfiden Plan ausgeheckt (und tatsächlich umgesetzt), alle mitgebrachten und vorhandenen Vorräte aufzuessen, damit wir jetzt mal so richtig eskalieren können.

Unsere Empfehlungen für einen typischen B&S Einkauf in Schweden:
Aber Vorsicht – all das folgende Zeug macht süchtig.

  • Kalles Kaviar
    eine salzige, perverse Fischcreme. Perfekt zu Ei, Käse und überall drunter
  • Ost – MildOst oder RökOst
    noch perverser, noch geiler: Schmelzkäse aus der Tube, klassisch oder mit Garnelen.
    Gibt es auch mit Bacon, Dill, Paprika oder Schinken.
  • PolarBröd
    Entweder das klassische (Knäcke) oder alle anderen Varianten, z.B. soft für Wraps o.ä.
  • Filmölk
    Ein ganz besonderer Joghurt/Kefir-Drink. Unser Favorit: Erdbeer-Blaubeere
  • Marabou-Schokolade
    einfach alle Sorten, egal. Unser ABSOLUTER Favorit: Fransk Nougat

Auf dem Rückweg gibt es natürlich noch eine Zimtschnecke auf die Hand, vollbeladen und glücklich kommen wir wieder an unserem Stellplatz an. Ganz ohne Zwischenfälle und deutlich vor Einbruch der Dunkelheit.

Der reservierte Platz liegt da wie das Handtuch am pool. Gut so – denn inzwischen ist ein weiterer Camper auf den Platz gekommen und ich bin mir sicher, er hätte lieber unseren Platz in 1-A-Lage gehabt. Hätte ich in den letzten Tagen aber auch gerne ein paar Mal, deshalb gibt’s heute kein Mitleid und kein schlechtes Gewissen.

Stattdessen soll es Pilze geben. Irgendwie steckt in meinen Genen noch der Jäger und Sammler. Also ziehe ich los, Schwedens Wälder plündern.

Ich streife durch einen dichten Wald, den Blick hauptsächlich zum Boden gerichtet. Der Wald ist urig und üppig: Steine, Wurzeln und umgekippte Baumstämme sind von sattem Moos überzogen, überall dort, wo ausreichend Licht hinfällt, wachsen junge Bäume, Farne und Sträucher. Die Bäume sind mächtig, kraftvoll und sattgrün. Und zwischen alledem wachsen Unmengen Blaubeeren – und Pilze. Ich bin ja der totale Pilzexperte: alles, was Röhren hat, kann man essen. Alles mit Lamellen nicht. Und Steinpilze heißen so, weil sie an Steinen wachsen. Oder wie ein Stein aussehen. Naja, wie auch immer. Ich sammele alles ein, was jung, knackig und frisch aussieht – und so ähnlich wie in den heimischen Wäldern. Nach knapp 15 Minuten habe ich eine große Papiertüte voll herrlichster Pilze.

Jetzt ist es Zeit, es sich gut gehen zu lassen, entscheide ich spontan. Ich setze mich in das weiche Moos und greife links, greife rechts, geradeaus. In alle Richtungen erreiche ich dicke, saftige Blaubeeren und esse mich daran satt.

Pilze habe ich keine gefunden, aber einen Elch erlegt

leicht genervter, ungläubiger Blick von der geliebten Platzbesetzerin.

oder umgekehrt

Als sie meine volle Pilztüte sieht, huscht dann doch so etwas wie Bewunderung durch ihr schönes Gesicht. Nur für diesen Moment machen wir Männer das doch alles, oder?!

Heute Abend soll es Pilzrisotto geben.

Also putze ich selbige so schnell es geht und springe anschließend kurz in den See.

Mit einem traumhaften Blick in die Abenddämmerung stehen wir im Walter, einen Becher Wein in der Hand und kochen. Das Risotto sieht fantastisch aus, Zeit zu probieren, ob der Reis schon durch ist. Ich reiche ihr einen Löffel und hoffe schon auf den nächsten, bewundernden Blick.

Stattdessen verzieht sie allerdings die Schnute, schüttelt sich und spuckt alles wieder aus.

das ist irgendwie bitter

das kann doch gar nicht sein“ protestiere ich, greife mir den Löffel und kann gar nicht so schnell rausspringen, wie ich das Zeug in meinem Mund wieder loswerden möchte.

Wie sich später herausstellt, gibt es ungiftige – aber ungenießbare – Pilze, die den Steinpilzen in Schweden zum Verwechseln ähnlich sehen.

Naja, da das Camperleben karg und entbehrungsreich ist, holen wir die frisch eingekauften Garnelen aus dem Kühlschrank, schenken uns Wein und der Pfanne Knoblauch ein und genießen dieses armselige Essen pünktlich zum Sonnenuntergang.

Eigentlich sollte es die Garnelen morgen geben, aus besonderem Anlass. Aber wenn es so ist, muss ich morgen wohl Angeln gehen.

„alles Kacke“

(09.08.2021)

„haben Sie gerade bei meiner Frau angerufen?“

„hmm, nein. Das wäre ungünstig, ich habe nämlich meine eigene dabei.“

Kurzes Schweigen, dann Gelächter.

„Oder ist es besser Ihre Frau anzurufen, wenn wir hier bleiben wollen? Ansonsten hatte ich bereits online reserviert“

„Oh nein, online ist viel besser, als meine Frau anzurufen. Herzlich willkommen am Lönern, schön dass Sie da sind!“

Als wir vor genau 1,5 Std. losgefahren sind, habe ich vorsichtshalber bei der Lönern-Tourism auf der website nachgeschaut. Und tatsächlich: man konnte den von uns favorisierten Platz am Lönern-See online reservieren. Von 5 vorhandenen Plätzen war noch genau 1 frei.

Als wir genau 1,5 Std. später ankommen, traue ich meinen Augen nicht: wir sind allein. Zumindest für etwas mehr als 10 min, dann kam nämlich der fröhliche Schwede, dessen Frau ich nicht angerufen hatte, um uns zu begrüßen.

Er erzählt uns noch kurz, dass wir jederzeit ein Boot bei ihm mieten können und ich sollte unbedingt die Angelkarte – am besten online – kaufen, der Lönern-See ist berühmt für seine zahlreichen, großen Hechte und Zander. Dann setzt er sich in seinen Pickup und fährt winkend davon.

Plötzlich ist es still. Die Sonne scheint, wir stehen am Ufer eines traumhaften Sees, es ist kurz nach 16:00 und ich habe nicht vor, Walter auch nur noch 1 Meter zu bewegen. Außer vielleicht, um auf die Rampen zu fahren, das sichere Zeichen dafür, dass wir länger bleiben.

Wir brauchen einen Moment, bis wir mit Umarmen, uns-freuen, ungläubig-staunen und Freudentänze-aufführen fertig sind und dann geht es los.

Das ganze Glamping-Equipment kommt zum Einsatz: ich baue Tisch und Stühle auf, die Markise wird ein Stück ausgerollt, der Grill vorsorglich aufgestellt, Karl bekommt seinen Platz und zu guter Letzt: DAS Sofa. Ich pumpe das Sofa so euphorisch auf, dass ich Muskelkater im Allerwertesten haben werde. Aber es ist mir egal. Wer weiß, wie lange diese Glückssträhne anhält. Ich will JETZT Urlaub, Schweden, Spontanerholung, ….. alles. Und zwar JETZT.

Und so kommt es, dass wir 20min später auf dem Sofa in der Sonne sitzen. Mit einem Becher herrlich kühlen Weißwein in der Hand. Wine-Time!

An diesem Tag passiert das ganz Besondere: nämlich nix. Wir genießen die Ruhe, die Sonne und sind unendlich froh, einen Platz gefunden zu haben, der unser beider Vorstellungen von „Schweden“ entspricht.

Für mich ein Platz direkt am See, also wirklich direkt und unmittelbar am Ufer. Wenn ich beim Aussteigen stolpern würde, hätte ich nasse Füße. Es gibt einen Zugang, um Schwimmen zu gehen, es gibt einen traumhaften Blick über den gesamten See, etwa 50m hinter uns ein ursprünglicher Wald und vor allem: Ruhe. Absolute Stille.

Für die geliebte Reiseleitung gibt es eine offene Lichtung, wir stehen nicht direkt im Wald, sondern auf einer etwa 100 x 200m großen Wiese. Es gibt einige, wenige Anzeichen von Zivilisation. Der Wald im Hintergrund ist weit genug entfernt, nicht endlos groß und nicht allzu dunkel.

Die Anzeichen der Zivilisation sind übrigens ein Steg mit drei kleinen Booten daran, zwei schön hergerichtete Feuerstellen, eine Tafel mit den wichtigsten Angelregeln am Lönern-See – und ein traditionelles Plumpsklo.

Als wollte Schweden sich mit uns versöhnen, erleben wir einen perfekten, ruhigen Abend. Und er ist auch wieder mit dabei – der dramatische Postkartensonnenuntergang.

Nur um sicherzugehen, dass niemand heimlich diese perfekte Kulisse abgebaut hat, stehe ich am nächsten Morgen sehr früh auf. Karl findet’s super, ich auch. Denn es ist alles noch da: der See liegt spiegelglatt wie aus Quecksilber gegossen vor mir. Leichter Nebel steigt auf und zieht in großen Schwaden dramatisch über den Schilfgürtel ab. Das Sonnenlicht kämpft sich mit feuerroten Strahlen durch die Bäume am gegenüberliegenden Ufer. Es ist herrlich, ich fühle mich so frei und wohl wie schon lange nicht mehr. Eine Weile sitze ich einfach auf dem Steg, denke über nichts nach und genieße den Moment.

Karl denkt zwar auch nicht viel nach, findet’s aber doof, wenn ich dasselbe tue. Also hibbelt er rum, springt von links nach rechts, stößt mich an und gibt mir zu verstehen „Alter, mir ist laaaaangweilig“

Weil ich heute morgen so gut gelaunt bin, gebe ich nach und mache eine große Wanderung durch den Wald mit ihm. Vielleicht, ja ganz bestimmt, also ich spüre es genau …. muss doch heute endlich mal ein Elch zu sehen sein.

Ich scanne die Umgebung wie mit einem Laser, auf die Ferne kann ich ja immer noch sehen wie ein Luchs. Der Wald unmittelbar hinter unserem Stellplatz ist ursprünglich und dicht, aber nicht undurchdringbar. Dahinter eröffnet sich eine große Lichtung, gefolgt von einem weiteren, diesmal dichten und fast undurchdringbaren Wald.

Aber so sehr ich auch suche und schaue, jeden Schatten und jede Wurzel genau beobachte – nichts. Es drängt sich der Gedanke auf, dass diese Elche nur ein Marketinggag der Schweden-Tourism sind, um neugierige Dorfkinder wie mich anzulocken.

Na gut, dann esse ich mich eben an Blaubeeren satt. Die wachsen hier tatsächlich wie Unkraut und während ich pflücke und esse, blau-rote Finger bekomme und mich über skurrile Wurzelgebilde, moosbedeckte Steine, fast 2m hohe Ameisenhaufen und im Morgentau glänzende Pilze freue, sehe ich am Boden eine Ansammlung übergroße Eicheln. Das ist ja sonderbar, denke ich. Hier stehen doch nur Nadelbäume und Birken. Woher kommen dann die Eicheln? Außerdem sind sie mehr als doppelt so groß wie die Eicheln, die ich kenne.

Vielleicht muss ich demnächst doch mal zum Optiker!

Da ich meine Lesebrille gerade nicht dabeihabe, stehe ich auf und betrachte die Ansammlung von oben. Ahhhh …. von wegen Eicheln. Das war doch ein Elch nach dem Frühstück. „Wie sieht eigentlich Elchkacke aus?“ frage ich zuerst mich selbst und später die verschlafene Reiseleitung. Keine Ahnung – aber ich werde es herausfinden.

Der Marsch durch den Wald hat Karl müde und mich glücklich gemacht. Um den Tag endgültig perfekt zu machen, springe ich in den See und danach gibt es Frühstück.

Zugegeben, es ist ein karges Frühstück. Auch wenn wir reichlich Vorräte geladen hatten, wir essen eben auch gerne. Und so beschließen wir gleich zwei Dinge:

Erstens: wir bleiben hier
Zweitens: lass uns Einkaufen fahren

Also rufe ich ein zweites Mal nicht bei der Frau des Schweden an, sondern reserviere den Platz für zwei weitere Tage online und buche uns bei der Gelegenheit für den nächsten Tag ein Boot.

Der Mann der Frau, die ich nicht angerufen habe, kommt etwa eine Stunde später und geht seinen Diensten nach. Die bestehen offensichtlich darin, uns fröhlich zu winken, bei den Booten nach dem rechten zu schauen, und sich um das Plumpsklo zu kümmern.

Kümmern heißt in diesem Fall, dass er mit seinem Quad, mit dem er diesmal gekommen ist, rückwärts an die Holzhütte fährt. Eine ganze Weile später hängt eine übergroße Plastikwanne mit einem Seil am Haken seines Quads und er zieht sie wie einen Schlitten die steile Abfahrt hinauf und biegt links Richtung Wald ab. Eine weitere Weile später kommt er zurück, die Wanne frisch gespült hinterher.

Später macht er noch einen Stop bei uns, plaudert fröhlich, fragt wie es uns geht und verspricht mir, den Schlüssel für das Boot rechtzeitig vorbeizubringen.

Die letzten Tage haben uns vorsichtig werden lassen. Also arrangieren wir den Tisch und die Stühle so, dass sie stehen bleiben können. Vorsichtshalber schreiben wir noch einen großen Zettel und kleben ihn darauf. Das Sofa, der Grill und die Auffahrrampen bleiben ebenfalls stehen. Egal, wer hier kommt: die Szenerie schreit geradezu: BESETZT

Und so fahren wir gegen Mittag fröhlich los. Walter hat um eine Ver- und Entsorgung gebeten, die wir in etwa 30min Fahrzeit auf einem Campingplatz ausfindig gemacht haben. Auf dem Weg gibt es einen großen Supermarkt, hier wollen wir uns versorgen.

Auf der Fahrt durch den Wald fällt es mir wieder ein. Und da ich ja gerade Walter dirigiere und die geliebte Platzbesetzerin sowieso nichts Besseres zu tun hat, frage ich sie: „kannst du mal googeln, wie Elchkacke aussieht?“

Das darauffolgende Schweigen ist kurz, aber eindrucksvoll. „das kannst Du gefälligst selbst machen, sowas will ich nicht auf meinem Handy haben“

in Gottes Namen

(07.08.2021)

„schnell, da! Da links rein“ rufe ich und mache eine Vollbremsung auf der Schotterpiste. Walter ist eingehüllt von Staub, die Schottersteine fliegen nur so um uns herum und ich sehe: nix. Naja, Staubwolken und Regentropfen. Und Karl von innen platt an der Windschutzscheibe.

Kurz vorher hatte ich noch zwei Dinge gesehen, mehr so aus dem Augenwinkel. Das erste war ein beige-weißer Camper hinter uns, der den Blinker links gesetzt hatte. Wie die Geier den sterbenden Elch umkreisen die gestressten Großstädter alle Seen auf der Suche nach dem perfekten Stellplatz, Ruhe und ihren ganz persönlichen Schwedenmoment. Und wir sind einer von ihnen.

Doch diesmal haben wir Glück, ich spüre es genau. Denn das zweite, was ich aus dem Augenwinkel gesehen habe, war ein winziges Holzschild mit einem handgemalten „P“ darauf. Und außerdem sind wir gerade an einem kleinen, flauschigen See vorbei gefahren. Ha! Das ist es!

Ich stehe also im Staub, der Camper hinter uns hat seine Niederlage eingestanden und den Blinker wieder abgesetzt. Stotternd schaukelt er vorbei. „nänännänänä“ möchte ich hinterherrufen, lasse es aber.

Erst jetzt traue ich mich, meine Beute zu erlegen und fahre weiter – hinein in den kleinen Wald auf einem nicht ganz so trockenen Trampelpfad.

Walter wird rechts und links von nassen Birken ausgepeitscht, aber das soll ja gut für die Durchblutung sein. Ein paar Meter und wir sind da: vor uns ein kleiner, lichter Platz, gerade eben so lang und breit wie Walter selbst. Auf der einen Seite ein Schilfgürtel mit einem winzig kleinen Pfad zum Wasser. Auf der anderen Seite der obligatorische, dichte Wald.

Ich bin vorsichtig optimistisch, öffne die Tür und springe heraus. Da habe ich meinen ganz persönlichen Schwedenmoment: ich stehe knöcheltief im Matsch.

Um es kurz zu machen: hier können und wollen wir nicht bleiben. Genau wie auf den anderen 6 Plätzen, welche wir noch anfahren. Meistens sind sie voll. Wir finden noch einen wirklich traumhaften Stellplatz, kommen aber nicht näher als 100m ran. Der große Stein in der Mitte des Weges hat die Form einer ägyptischen Pyramide – und würde uns zuverlässig den Unterboden aufreißen. Ich mag es zwar, unser Grauwasser schnell und effektiv zu entsorgen, aber so ein dauerhaftes Leck ist dann doch irgendwie uncool.

Ach ja: der Regen bleibt uns bei alledem natürlich treu.

Ein Blick auf die Wetterkarte und wir beschließen (mal wieder), noch ein Stück zu fahren. Dort soll die Regenwahrscheinlichkeit nur 75% betragen. Unser Ziel ist ein Schullandheim, welches während der Ferien erstmals großzügige Stellplätze anbietet. Direkt am See und mit Wald – natürlich!

Auch ein weiteres Naturgesetzt bleibt uns treu: jede Fahrt dauert 5 Stunden. Egal was wir vorher geplant haben. So kommen wir kurz nach Sonnenuntergang an. Vor uns liegt ein weitläufiger Platz, während der Schulzeit scheint dies der Sportplatz zu sein. Drumherum präsentieren sich typische Backsteinschulgebäude, rechts liegt ein Schotterparkplatz mit 4 Ladesäulen. Und da steht – der Blink-August von vor 3 Stunden. Touché!

Es ist wie angekündigt ein Schullandheim, und diesen Charme versprüht es auch. Ich fühle mich spontan wie der 8jährige Junge, der noch den Weitsprung absolvieren muss, um endlich das Sportabzeichen zu erhalten.

Ich bin zwar nicht mehr 8, sondern fast 47, aber der Entdeckergeist von damals ist geblieben. Schnell hefte ich mir das alte Sportabzeichen ans Revers, starte Walter und fahre über den Platz zu einem schmalen Weg am anderen Ende. Da muss doch …. natürlich ein Schild stehen: „Durchfahrt verboten“. Beim Umdrehen würge ich Walter ab und bleibe stehen – quer zum Weg, quer zu meiner Enttäuschung und quer zum Regen, welcher links vom See auf uns einprasselt.

Da erscheint ein altes, kleines Männchen mit Regenschirm neben meinem Fenster. Mit ihm zusammen eine nicht ganz so alte, aber ebenso kleine Frau im Friesennerz.

Ich kurble das Fenster herunter und erkläre dienstbeflissen, dass wir gerade umdrehen, wir suchen nach einem schönen Platz am Wasser, keine Sorge, hier darf ich ja nicht durch …. Blablabla

„Wie schön und wie dicht am Wasser?“ fragt das Männchen. Ich werde stutzig „den schönsten Platz den es gibt und ich möchte aus dem Fenster angeln“

„haha, den Platz suchen alle. Da links ist einer. Es ist zwar nicht DER Platz, den hier alle suchen und auch nicht so dicht am Wasser. Aber mit Strom. Der See hier hat die meisten Fische in ganz Schweden, auch ganz seltene. Weil er so tief und so kalt ist. Aber wir gehen sowieso lieber im Wald spazieren.“ erklärt mir das Männchen aufgeregt.

„Da steht ein Schild, dass ich nicht durchfahren darf.“ versuche ich noch einzuwenden, aber wir haben ja eh keine Chance. Irgendwo müssen wir diese Nacht ja bleiben.

„ich erlaube es Ihnen, ich bin hier der Pastor“

„In Gottes Namen, lass uns hier bleiben“ entscheidet die erschöpfte Reiseleitung. Der Platz ist im Rahmen der Möglichkeiten trocken, befestigt, gerade und es gibt einen Trampelpfad zum See.

Karl hüpft fröhlich hinaus, er findet den Platz super. So wie jeden Platz, an dem wir aussteigen. Wiese, Wald, Herrchen zum Toben und abends eine Kaustange. So ein Hundeleben hätte ich gerade auch gerne.

Ich nehme ihn mit und erkunde das Ufer dieses fischreichen, gesegneten Sees. Des Pastors warme Worte werde ich nicht überprüfen können. Denn überall ragen hier Steilufer empor. An Angeln ist hier nicht zu denken, da bräuchte es ein Boot. Und das liegt gut gesichert in einer kleinen Bucht gegenüber, wie ich später herausfinden werde. An Baden ist übrigens ebenso wenig zu denken. Der See ist tatsächlich arschkalt.

Ich kraxel die Felsen hinauf und betrete plötzlich ein Plateau. Ein atemberaubender Blick über den See lässt mich wie angewurzelt stehen bleiben. Ein großer Platz direkt auf den steil abfallenden Felsen. In der Mitte sind grobe Baumstämme zu einem Quadrat angeordnet, in dessen Mitte eine riesige Feuerstelle liegt. Auf dem am weitesten über dem Abhang ragenden Felsen ist ein schlichtes, riesengroßes Kreuz aus Baumstämmen aufgestellt.

Man könnte hier Opferrituale, Freiluftgottesdienste oder lustige Abende mit Gitarre und Rotwein am Feuer verbringen. Oder einfach einen Moment durchatmen, genießen und dankbar sein.

Der ganze Ort hat etwas Besonderes. Das kalte, tosende Wasser des großen Sees, die vielen Fische darin, welche sicher vor mir und meinen mangelhaften Angelkünsten sind. Der angrenzende Wald und der Zufall des freundlichen Pastors, der uns hier stehen lässt.

Heute Abend machen wir mal richtig Camping, es gibt Erbsensuppe aus der Dose, vor der offenen Tür ein Vorhang aus Wasser und im Hintergrund der tosende See. Wild-romantisch-nass-kalt-ok-für-eine-Nacht.

Am nächsten Morgen bin ich sehr früh wach. Die wilde Romantik wirkt vor Sonnenaufgang noch schroffer. Ich gehe eine sehr große Runde mit Karl und hoffe auf meinen Elch. Wenigstens das. Aber der Elch hat keine Lust auf einen blassen, unausgeschlafenen, norddeutschen Schwedenanfänger mit Hund. Der hat allerdings weiterhin Lust auf Schweden, wir müssen es nur noch entdecken.

Wir beschließen, einer schwedischen Stadt eine neue Chance zu geben. Das Wetter ist so mittel und wir sind in der Nähe einer ebensolchen Stadt, die uns neugierig gemacht hat.

Als wir in Linköping ankommen, reißt der Himmel auf und es wird zaghaft sonnig. Erstmal was geiles essen beschließen wir und wandern in die Innenstadt. Wir finden ein Restaurant mitten auf dem Marktplatz, lauschig unter Schirmen, die Ferkelwärmer heizen von oben und wir haben einen prima Ausblick auf einen Brunnen und die entspannten Menschen drumrum.

Es ist später Vormittag, das Restaurant hat gerade erst geöffnet und so sitzen wir, plaudern, genießen die Sonne und die Wärme der Strahler und warten auf die Karte. Rechts und links werden die ersten Getränke, kurze Zeit später das erste Essen gebracht. Hmm, komisch. Beim nächsten vollbepackten Tablett, welches der Kellner leichtfüßig an den Nachbartisch bringt, fragen wir nach der Karte.

„Sie können den Code hier scannen und mit Ihrem Handy bestellen“ sagt er freundlich, zeigt flüchtig auf einen winzigen Aufkleber auf unserem Tisch und verschwindet wieder.

Alles klar, wir scannen, scrollen, brechen den Bestellvorgang ab, scannen erneut und irgendwann haben wir es geschafft, online auszuwählen, zu bestellen und zu bezahlen. Keine 10 Minuten später haben wir ein wirklich gutes Essen, Getränke und keine Scherereien mit dem Bezahlen, als wir gehen wollen. Das ist echt cool. Wenn Du es einmal geschnallt hast, ist es herrlich einfach und modern. Der Charme des „bedient werdens“ im Restaurant geht ebenfalls nicht verloren.

Nach dem Essen schlendern wir durch das Städtchen und holen uns noch ein Eis bei „Gelato amore“. Na, wenn das kein Omen für die nächste Etappe ist.