(13.08.2021)
Wir lernen ja auch dazu. Und so kam es, dass ich an der Reception des Campingplatzes nach einem Tagespass fragte. Nun baue ich im englischen keine fein ausformulierten Akademiker Sätze, aber bislang hat es in allen Hafenkantinen gereicht, um zu bekommen, was ich wollte. Und hier in Schweden hat es sich mitunter sogar zu einem netten Smalltalk entwickelt.
Also, ich sag mal daran lag es nicht, dass der sehr freundliche Schwede hinterm Tresen dreimal nachfragte, ob wir wirklich nur 2 Stunden bleiben wollen. Grauwasser und Kassette entleeren, Frischwasser und Strom tanken, duschen. Mehr brauchten wir gerade nicht, und das gerne schnell. Wir hatten ja einen reservierten Traumplatz, zu dem wir so schnell wie möglich zurück wollten.
„ok, ok, clean up your systems and have a nice day” gab er irgendwann auf, mich zu einer Übernachtung überreden zu wollen. Übrigens eine unserer besseren Entscheidungen auf dieser illustren Reise.
Während ich mich um das Grobe kümmere, packt die geliebte Platzbesetzerin schon mal ihre sieben Sachen zusammen und geht duschen. Ich drücke ihr noch schnell vier 5-Kronen-Stücke in die Hand (übrigens das einzige Mal überhaupt, dass wir Bargeld brauchten), denn die braucht es hier offensichtlich zum Duschen.
Alle Tanks sind gefüllt, nur der Laptop braucht noch 20min zum Aufladen, als mich von hinten ein frischer Duft anweht. „ui, was….“ weiter komme ich nicht. Sie gackert und giggelt und kommt gar nicht dazu mir zu erzählen, was eigentlich los ist. „genau so stelle ich mir die Duschen im Schwimmbad von Eis am Stiel vor“
„Hä?“
„schau es dir selbst an! Ach ja, du hast genau 3,5 Minuten, die anderen Münzen brauchte ich leider“ und verschwindet kichernd im Walter.
Ich wollte mir das gar nicht anschauen, ich wollte eigentlich nur wissen, warum sie Eis am Stiel kennt. Aber da sie nun schon weg ist, kann ich ja mal duschen – und gucken – gehen.
Noch bevor ich etwas sehen kann, habe ich einen Geruch und Bilder meiner Kindheit vor Augen: Trainingslager und Gemeinschaftsduschen. Diese Mischung aus Chlor, Muff und alter Seife. Im Raum vor mir ist die Zeit stehen geblieben – irgendwann in den 70ern. Alte, abgebröckelte Fliesen, Duschkabinen aus Leichtbau-Quitsch-ich-weiß-nicht-was-für-Material-die-damals-genommen-haben. Natürlich beginnen die Kabinenwände erst 20cm über dem Boden und sind gerade eben so hoch, dass ich nicht mehr drüber schauen kann.
Die Kabinen selbst sind wirklich gerade so groß, dass man darin duschen kann, zum Umziehen stehen zwei weiße Plastikstühle im großen Raum davor. An der Wand eine abenteuerliche Verkabelung – und drei Münzautomaten mit den Nummern 1, 2 und 3. Bei genauem Hinschauen lassen sich diese Nummern dann auch auf den Türen der Duschkabinen erahnen.
Drei Waschbecken auf der anderen Seite, metallisch angelaufene Spiegel, bei denen immer unten diese eine Ecke abgesplittert ist. Kann mir mal jemand sagen, warum?
Ach ja, und in der Ecke, neben dem einen Plastikstuhl, rumpelt ein Luftentfeuchter.
Habt Ihr schon mal versucht, im Nieselregen zu duschen? Da holst Du dir eine Erkältung, aber nicht den Dreck vom Körper. Für eine 5 Kronenmünze gibt es exakt 3,5 Minuten und 1,5 Liter lauwarmes Wasser. Dafür musst Du aber erst die Münze in den passenden Automaten werfen und möglichst schnell zu der (deiner) Kabine zu laufen. Nackt. Auf alten Fliesen.
Weniger erfrischt, dafür um so mehr amüsiert, kehre ich zur Mannschaft zurück und verkünde, dass ich mich nie wieder gegen den Aufenthalt in einem Campodrom oder anderen Fünf-Sterne-Camping-Plätzen wehren werde. Auch wenn der Tagespass dort wahrscheinlich das fünffache kostet.
Egal! Walters und unsere Systeme sind clean, Strom und Wasser reichen wieder für mind. 3 Tage, los geht’s!
Unser nächstes Ziel: ein großer Supermarkt. In den letzten Tagen haben wir den perfiden Plan ausgeheckt (und tatsächlich umgesetzt), alle mitgebrachten und vorhandenen Vorräte aufzuessen, damit wir jetzt mal so richtig eskalieren können.
Unsere Empfehlungen für einen typischen B&S Einkauf in Schweden:
Aber Vorsicht – all das folgende Zeug macht süchtig.
- Kalles Kaviar
eine salzige, perverse Fischcreme. Perfekt zu Ei, Käse und überall drunter - Ost – MildOst oder RökOst
noch perverser, noch geiler: Schmelzkäse aus der Tube, klassisch oder mit Garnelen.
Gibt es auch mit Bacon, Dill, Paprika oder Schinken. - PolarBröd
Entweder das klassische (Knäcke) oder alle anderen Varianten, z.B. soft für Wraps o.ä. - Filmölk
Ein ganz besonderer Joghurt/Kefir-Drink. Unser Favorit: Erdbeer-Blaubeere - Marabou-Schokolade
einfach alle Sorten, egal. Unser ABSOLUTER Favorit: Fransk Nougat
Auf dem Rückweg gibt es natürlich noch eine Zimtschnecke auf die Hand, vollbeladen und glücklich kommen wir wieder an unserem Stellplatz an. Ganz ohne Zwischenfälle und deutlich vor Einbruch der Dunkelheit.
Der reservierte Platz liegt da wie das Handtuch am pool. Gut so – denn inzwischen ist ein weiterer Camper auf den Platz gekommen und ich bin mir sicher, er hätte lieber unseren Platz in 1-A-Lage gehabt. Hätte ich in den letzten Tagen aber auch gerne ein paar Mal, deshalb gibt’s heute kein Mitleid und kein schlechtes Gewissen.
Stattdessen soll es Pilze geben. Irgendwie steckt in meinen Genen noch der Jäger und Sammler. Also ziehe ich los, Schwedens Wälder plündern.
Ich streife durch einen dichten Wald, den Blick hauptsächlich zum Boden gerichtet. Der Wald ist urig und üppig: Steine, Wurzeln und umgekippte Baumstämme sind von sattem Moos überzogen, überall dort, wo ausreichend Licht hinfällt, wachsen junge Bäume, Farne und Sträucher. Die Bäume sind mächtig, kraftvoll und sattgrün. Und zwischen alledem wachsen Unmengen Blaubeeren – und Pilze. Ich bin ja der totale Pilzexperte: alles, was Röhren hat, kann man essen. Alles mit Lamellen nicht. Und Steinpilze heißen so, weil sie an Steinen wachsen. Oder wie ein Stein aussehen. Naja, wie auch immer. Ich sammele alles ein, was jung, knackig und frisch aussieht – und so ähnlich wie in den heimischen Wäldern. Nach knapp 15 Minuten habe ich eine große Papiertüte voll herrlichster Pilze.
Jetzt ist es Zeit, es sich gut gehen zu lassen, entscheide ich spontan. Ich setze mich in das weiche Moos und greife links, greife rechts, geradeaus. In alle Richtungen erreiche ich dicke, saftige Blaubeeren und esse mich daran satt.
„Pilze habe ich keine gefunden, aber einen Elch erlegt“
leicht genervter, ungläubiger Blick von der geliebten Platzbesetzerin.
„oder umgekehrt“
Als sie meine volle Pilztüte sieht, huscht dann doch so etwas wie Bewunderung durch ihr schönes Gesicht. Nur für diesen Moment machen wir Männer das doch alles, oder?!
Heute Abend soll es Pilzrisotto geben.
Also putze ich selbige so schnell es geht und springe anschließend kurz in den See.
Mit einem traumhaften Blick in die Abenddämmerung stehen wir im Walter, einen Becher Wein in der Hand und kochen. Das Risotto sieht fantastisch aus, Zeit zu probieren, ob der Reis schon durch ist. Ich reiche ihr einen Löffel und hoffe schon auf den nächsten, bewundernden Blick.
Stattdessen verzieht sie allerdings die Schnute, schüttelt sich und spuckt alles wieder aus.
„das ist irgendwie bitter“
„das kann doch gar nicht sein“ protestiere ich, greife mir den Löffel und kann gar nicht so schnell rausspringen, wie ich das Zeug in meinem Mund wieder loswerden möchte.
Wie sich später herausstellt, gibt es ungiftige – aber ungenießbare – Pilze, die den Steinpilzen in Schweden zum Verwechseln ähnlich sehen.
Naja, da das Camperleben karg und entbehrungsreich ist, holen wir die frisch eingekauften Garnelen aus dem Kühlschrank, schenken uns Wein und der Pfanne Knoblauch ein und genießen dieses armselige Essen pünktlich zum Sonnenuntergang.
Eigentlich sollte es die Garnelen morgen geben, aus besonderem Anlass. Aber wenn es so ist, muss ich morgen wohl Angeln gehen.