Schneeketten günstig abzugeben

Diesmal waren wir wirklich gut vorbereitet. Fehlte nur noch, dass wir uns selbstgefällig auf die Schulter klopfen. Wir fühlten uns fast schon wie Profis – und irgendjemand hat es später dann tatsächlich auch ausgesprochen.

Alles fing damit an, dass Walter endlich wieder TÜV bekommen hat. Wurde irgendwie auch mal Zeit – so nach 6 Monaten „drüber“. Sicherheitshalber hatte ich zwischendurch gegoogelt, ab wann eine Vollabnahme fällig wird. Aber dafür hätten wir noch 6,5 Jahre (ohne TÜV) Zeit gehabt.

Also, das Wohnprojekt „WoMo-Hafen“ war abgeschlossen, auch als externes Badezimmer brauchten wir Walter zum Glück nicht mehr. Er konnte also ruhigen Gewissens für ein paar Tage in die Beautyfarm gehen und kam nach kurzer Zeit mit neuen Augen, einer künstlichen Hüfte und ohne Altersflecken wieder zurück. Stolz wie Oskar habe ich sofort einen Termin beim Straßenverkehrsamt reserviert, damit Walter offiziell bei uns in Holstein wohnen darf. Ich wollte Walter ummelden.

Keine 4 Wochen später sollte es auch schon so weit sein. Es grenzt fast an Spießigkeit, dass ich einen ganzen Tag vorher alle notwendigen Unterlagen zusammensuche und gemeinsam in eine Mappe lege. Da fällt mir ein, dass die strenge Dame vom Amt vor ein paar Wochen – als ich den kleinen Smart umgemeldet habe – nach irgendeiner EAP – EPA – DPD-was-weiß-ich-Nummer gefragt hat. Hatte ich damals natürlich nicht, konnte den amtlichen Vorgang nach einem kurzen Anruf bei der Versicherung aber fortsetzen.

Diesmal sollte es noch besser flutschen – also rief ich 1 Tag VOR dem amtlichen Termin bei der Versicherung an. Und wenn ich von Natur aus nicht so ungeduldig wäre, würde ich noch heute in der Warteschleife festhängen. Aber auch 30 Anrufe später war bei der Versicherung niemand zu erreichen. Und inzwischen war es 20:00.

„naja, kann ja nicht so schwer sein diese Nummer online zu bekommen“ flötet es engelsgleich von links in mein Ohr. Stimmt. Online geht ja alles und meistens viel besser. So stand es dann auch auf der website der vertrauten Versicherung geschrieben. Allerdings nur auf der ersten Seite. Weiter hinten heißt es dann „… melden uns schnellstmöglich bei Ihnen mit der gewünschten Auskunft per E-Mail….“ ah ja…., das klingt nach zwei Wochen Wartezeit und Post per Brieftaube.

Endlich hatte ich mein kindlich unbeschwertes, chaotisches Gemüt zurück – „wird schon klappen“.

Siegessicher fahre ich am nächsten Morgen los. Die Fahrt zum Amt dauert etwa 30 min, das reicht für 30 weitere, erfolglose Versuche, bei der Versicherung anzurufen. Naja, geh erstmal rein, wird schon. 5 min vor dem Termin bin ich da und wollte die Wartezeit sinnvoll nutzen – für Anruf Nr. 31. „xyz-Versicherung, guten Tag. Was darf ich für Sie tun?“

Es war 7:59, als ich der strengen Dame vom Amt fast überheblich ALLE notwendigen Unterlagen unter dem Spuckschutz hindurch schiebe.

Würden Sie die alten Kennzeichen für mich entsorgen? Vielen Dank!“

Walter hatte also TÜV und neue Kennzeichen – und wir einen Plan: „Weihnachten fällt aus“

All unsere Weihnachtsdeko war ja bereits im Sommer unter die Räder gekommen, d.h. ist gar nicht mit eingezogen. Einer nach dem anderen aus unserer illustren Familie hat sich abgemeldet. Und das größte Geschenk, welches wir uns vorstellen konnten, war Zeit.

Also haben wir uns reichlich beschenkt: keine Zeit für Deko, Geschenke und alle anderen Weihnachtsrituale „verschwendet“. Stattdessen ausgiebig die Karte studiert und lohnenswerte Reiseziele identifiziert.

Ein bisschen Romantik schadet ja nie und es sollte etwas sein, was wir sonst nicht haben. Ach ja, gut essen auch gerne und nicht viel mehr als 4 Std. Fahrt.

WinterWonderLand!

In den Harz wollten wir. Da liegt Schnee, da ist es romantisch mit der Tendenz zum Kitsch und keiner von uns beiden war bewusst schon mal dort. Gute, deftige Küche haben die dort bestimmt auch.

Da wahrscheinlich alle anderen (außer uns) am 24. Weihnachten feiern und alle Restaurants somit geschlossen haben, wollten wir am 25. früh morgens los.

Und schon wieder erwische ich mich dabei, besser vorbereitet zu sein als bei meiner Abi-Prüfung: ich habe tatsächlich Schneeketten bestellt. Auch die Gasflaschen sind voll und aus Versehen hat es eine Schaufel in den Kofferraum geschafft. Was ist hier eigentlich los?

Zum Glück schaffen wir es am 25. natürlich nicht, pünktlich loszufahren. Walter war nicht fertig gepackt, wir sind nicht früh aufgestanden und überhaupt. Aber kurz vor Mittag ging es los – bei strahlendem Sonnenschein und fast 10°. Bestes Strandwetter.

Erstes Reiseziel: Goslar
Achtung Spoiler: absolute Reiseempfehlung!

Die Freunde von VANtertainment haben uns Goslar empfohlen und da wir den beiden ja fast alles glauben, sind wir der Empfehlung gerne gefolgt.

Goslar ist DIE Weihnachts-Kitsch-Glitzer-Licht-Stadt. Fachwerkhäuschen, Burgzinnen, Kopfsteinpflaster, Tannen, Glockenklimpern und Kindereisenbahn. Alles, was man in einen zuckersüßen Weihnachtsfilm packen würde, findet man in Goslar.

Außer: Schnee

Seit wir bei 10° losgefahren sind, hat sich am Wetter wenig geändert. Außer dass es inzwischen dämmert und ein klein wenig kühler geworden ist. Aber kein Schnee weit und breit.

Gut so – denn wir schleichen mit Walter durch enge Gassen und steile Auffahrten auf der Suche nach einem Parkplatz in der Nähe des Weihnachts-Epizentrums.

Und wir werden fündig, direkt an der „Kaiserpfalz“ ist ein großer Parkplatz, keine 5 min zu Fuß ins Zentrum. Bumsvoll, wenn man mit dem Auto einen Platz suchen würde. Aber mit 7,20 Länge fühlen wir uns groß und stark und fahren frech auf einen von 15 freien Busparkplätzen. Natürlich dauert es weniger als die Dachluke zu öffnen, da gestikuliert außen eine junge Dame in gelber Warnweste. „Sie dürfen hier nicht stehen, SIE nicht….“ War ja klar. Ich wollte sowieso gerade eine rauchen, also steige ich aus und biete ihr auch eine an.

„SIE dürfen hier grundsätzlich nicht stehen – also SIE als Wohnmobil. Sie als Mensch natürlich ja …. Nein danke, ich habe meine eigenen Zigar … also …. O.k. Vielen Dank! Ich habe aber gar kein Feuer dabei …. Also, naja …. aber ab 18:00 ist es egal, da ist parken hier frei….“

„was würde mir denn in den 2 Std. zwischen jetzt und 18:00 passieren, wenn mein Motor jetzt zufällig nicht mehr anspringt?“

„hmm, das Ordnungsamt, also das kostet dann …“

„wieviel“

„keine Ahnung, die waren auch seit 2 Tagen schon nicht mehr hier“

„ich wünsche Ihnen ein wunderbares Restweihnachten. Bleiben Sie gesund!“

„Danke, Ihnen auch. Und viel Spaß auf dem Weihnachtsmarkt!“

Das finde ich großartig – und verstehe tatsächlich nicht, warum nicht alle Weihnachtsmärkte während und nach Weihnachten noch geöffnet haben?!

Ein wirklich toller Weihnachtsmarkt. Hier ist irgendwie von allem zu viel. Aber gerade das macht es aus: zu viele Lichterketten und -netze, zu viel Kitsch, zu viele Menschen, zu viele Weihnachtsdüfte, zu viel Essen, zu viel Glühwein. Aber es ist toll. Was wir in den letzten 4 Wochen Vorweihnachtszeit nicht an Weihnachtsstimmung hatten, bekommen wir hier in 4 Stunden Intensivromantik. Herrlich!

Neben dem Haupt-Weihnachtsmarkt auf dem Marktplatz gibt es noch einen kleinen, gleich nebenan. Zunächst siehst Du nur Wald. Also tatsächlich. Etwa 300 mittelgroße Tannen stehen dicht an dicht und bilden einen kleinen Wald mitten in der Stadt. Alle Tannen sind wie zuvor schon beobachtet übermäßig mit Lichterketten behangen. Und mittendrin in diesem Wäldchen gibt es Glühwein, Schmalzkuchen und Hefegebäck. Später werden wir erfahren, dass diese 300 Tannen in freier Wildbahn wahrscheinlich dringender gebraucht werden, aber in diesem Moment ist es toll und einfach überwältigend.

Goslar selbst ist eine ganz zauberhafte Stadt, zumindest den Teil der Altstadt, die wir heute noch erkunden können.

Viele alte bis uralte Fachwerkhäuser, ein Bach rauscht mitten durch die Stadt und alles ist sehr liebevoll angelegt. Auch die Mischung aus alten und neuen Häusern ist sehr gelungen und es herrscht eine angenehme Stimmung in der Stadt.

Irgendwann kugeln wir zurück zum Parkplatz, auf dem wir nicht stehen dürfen und bleiben natürlich über Nacht stehen. Walter steht wie selbstverständlich auf einem der hinteren Busparkplätze und am nächsten Morgen wird sich noch ein weiterer Camper dazugesellen – weil es einfach der perfekte Platz ist. Und gerade keine Busse da sind.

Karlchen findet Goslar nicht ganz so super und hat am Abend überhaupt gar keine Lust mehr, einen Fuß vor die Tür zu setzen. Muss er auch nicht, es hat inzwischen nämlich angefangen zu regnen.

Dafür ist er am nächsten Morgen um so früher wach und jetzt will er plötzlich raus, DRINGEND….

Wir schließen uns ihm an und gemeinsam erklimmen wir die Anhöhe der Kaiserpfalz, ein wirklich schönes Schloss, in dem zahlreiche Könige und Kaiser ihre Zeit verbracht haben, wenn sie Goslar besucht haben. Später machen wir tatsächlich das Touri-Programm und besichtigen die Kaiserpfalz.

Ja, von innen ganz nett – aber irgendwie auch nix halbes und nix ganzes. Ich frage mich bei solchen wirklich beeindruckenden historischen Gebäuden und deren Museen immer: interessiert das die Besucher WIRKLICH? Also diese Jahreszahlen, der mit dem, Epoche sowieso und Abstammung blabla … ich würde gerne in so ein Schloss gehen und den „Alltag“ von Heinrich III sehen. Wo hat er geschlafen, wie sah die Küche oder das Klo aus, was haben die gegessen? Hatte er eine Affäre mit der Zofe und gab es wirklich eine Schatzkammer oder sind das nur Legenden. Vielleicht mit lebensgroßen Figuren, nachgestellte Situationen. Gerne auch die mit der Zo…. Naja, egal.

Also, Kultur hatten wir auch und dann konnten wir endlich frühstücken gehen.

Dringende Empfehlung: „ButterHanne“ direkt am Marktplatz. Das Frühstück war wirklich sehr gut, mit allem drum und dran. Aber eigentlich war es schade, dass es noch so früh war. Die Schnitzelkarte sah sehr verlockend aus. Und das Ambiente insgesamt war eher so, wie ich mir das Schlossmuseum gewünscht hätte.

Vollgefuttert schlendern wir noch durch Goslar und auch ohne Weihnachtsbeleuchtung bei Tageslicht ist das Städtchen einfach zauberhaft.

Als wir am Parkplatz ankommen, nehmen die „Wächter“ gerade wieder ihren Dienst auf. Noch bevor sie uns erneut ermahnen, sind wir wieder weg – bei 10° und Sonnenschein, ohne Schneeketten.

# Ende Teil 1 / Teil 2 folgt #

Autor: Björn Tiedemann (die-platzbesetzer.de)

Pirat, Autor, Freigeist, Chaot, Monk, kreativer Kopf, Wildfang .... stimmt alles gar nicht und irgendwie doch. Was ich am wenigsten mag, sind Schubladen. Dafür mag ich um so mehr Freiheit, Neugierde, Sonne, das Meer, meine Prinzessin, meine Kinder, das Unbekannte und gutes Essen. Kommt mit auf unsere Reise. Hier wird es bunt und launig, manchmal schräg und launisch. In jedem Fall aber echt und ehrlich. w www.die-platzbesetzer.de und die wohnen hier ww.dashausmitdemblauenzaun.de

2 Kommentare zu „Schneeketten günstig abzugeben“

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