Irgendwie ist es mir ja doch peinlich.
Da gelte ich 10 Jahre lang als Medienprofi, suhle mich in Lob und Anerkennung, wenn die Presse gut oder mindestens neutral über meinen Arbeitgeber schreibt. Erkläre dem Vorstand (und allen anderen), dass es genau so und nicht anders gemacht werden muss. Predige mit dem Heiligenschein des Profis über Wiedererkennung, Glaubwürdigkeit, Emotionalität und Ja-Botschaften.
Und dann das: kaum bin ich einen Tag raus aus dem Geschäft, versage ich kläglich. Tzzzz!
Was war passiert?
Es ist gegen Mittag und ich komme mit meiner Brötchentüte zurück auf den Platz. Ja genau, DER Platz. Wie immer. Das Plauderfenster ist geöffnet und davor stehen der Chef des Platzes, seine Kollegin und ein stattlicher, markanter Mann. Die Chefin selbst hat drinnen alle Hände voll zu tun, also geselle ich mich vor dem Fenster dazu. Eine Schachtel Zigaretten fällt zu Boden und weil die Kippen nun eh schon raus sind, gibt der Chef eine Runde aus. Ehrenmann.
Wir plaudern über dies und das, der Mann neben mir möchte sich ein neues Wohnmobil kaufen und denkt über einen Doppelachser nach – wegen der Fahrstabilität. Erzählt mir, dass er bisher immer dort gewohnt hat, wo andere Urlaub machen. Von Bad Rothenfelde mehrmals quer durch die Republik und jetzt eben hier in Scharbeutz. Aber am liebsten ist er mit dem Wohnmobil unterwegs, seit 20 Jahren schon.
Es wird gelacht, es wird geraucht und es werden zotige Witze gerissen. Eine Anekdote jagt die nächste und das Plauderfenster muss geschlossen werden, weil Gaby sich nicht konzentrieren kann. Es ist kurz davor, dass ich das erste Bier aus dem Walter hole.
Plötzlich muss der unbekannte Typ aber los – sein Auto steht quer in der Einfahrt und hindert drei große Camper daran, abzureisen. Schade, wirklich schade – ich hätte hier auch noch länger stehen können. Mache ich dann auch, wann hab ich sonst schon mal Zeit zum Plaudern?
Und während er noch winkt und „bis bald“ ruft, denke ich darüber nach, woher ich den Typen kenne. Irgendwie kommt mir das Gesicht, die Stimme und die Gestik bekannt vor. Ich weiß nur nicht, woher. Ich ordne ihn irgendwie in meine Hamburger Zeit ein, aber das kann auch nicht sein. Hamburg kam in seiner Urlaubs-Wohnort-Aufzählung nicht vor.
Egal, ich wende mich wieder den anderen zu, als meine Lieblings-Platz-Aufpasserin sagt „als er das erste Mal hier war, hab ich ihn erstmal angemotzt.“
„ich glaub, Du hast hier jedem schon mal ‚ne Ansage gemacht“
„kann sein, aber ich hab ihn damals einfach nicht erkannt“
Hä? Erkannt? Instinktiv halte ich jetzt mal den Mund und stelle keine blöde Frage… passiert mir selten, rettet mich diesmal aber.
Der gute Mann ist offensichtlich ein Freund des Hauses (also des Platzes) und man kennt sich schon länger.
Als es bei der Anmeldung etwas ruhiger wird, ruft die Chefin von innen durchs Fenster: „Ihr hättet mit Hans Meiser auch ein Foto machen können, ich glaube das hätte ihn nicht gestört“
HANS MEISER? Ich erkenne Hans Meiser nicht, obwohl er eine Stunde neben mir steht und wir tratschen wie die Waschweiber? DAS darfst Du wirklich niemandem erzählen.
Ich lache mich innerlich tot, wirklich. Der Erfinder der Talkshow, dessen Konzept ich 15 Jahre später kopiere und mich selbst an einer Talkshow versuche. DAS Gesicht und DIE Stimme der privaten Radio- und Fernsehsender. So viel zum Thema „Medienprofi“.
Das Team des Womo-Hafen Scharbeutz sucht noch fieberhaft nach seiner Telefonnummer – „…ihr müsst euch doch mal kennenlernen“.
Leider vergebens, keine Nummer zu finden. Aber vielleicht liest er hier ja zufällig mit? Also #HansMeiser, es tut mir wirklich leid! Und ja, ich würde Dich wirklich gerne nochmal treffen. Ich habe da nämlich eine Idee…
Etwas später schreibe ich der geliebten Platzbesetzerin, welche leider noch zu Hause bleiben musste. Als ich ihr von unserer launigen Mittagsrunde und meinem verblassenden Stern als Medienprofi berichte, fragt sie: „Wer ist Hans Meiser?“
Hektisch suche ich nach der versteckten Kamera, wer weiß, vielleicht hat Hans ja ein neues Projekt? Nein, ich argumentiere einfach damit, dass Soni noch viel zu jung ist, um ihn wirklich zu kennen. Auch wenn sie später behauptet, ihn doch zu kennen. Nachdem ich ihr den entsprechenden Wikipedia-Link geschickt habe.
Wie auch immer, nach einem so launig ausgedehnten Vormittag lohnt es auch nicht mehr zu frühstücken und ich gehe direkt zum Mittagsschlaf über. Schon ganz geil, keine Verpflichtung zu haben. Und allein mit dem Walter bin ich auch. Soni kommt morgen hoffentlich nach, bis dahin herrscht hier ein Männerhaushalt.
Und entgegen allen landläufigen Klischees funktioniert das sogar sehr gut – wenn auch etwas anders.
Das wichtigste zuerst: ja, ich esse etwas.
Gestern habe ich freiwillig den Gaser in Betrieb genommen und es gab Grillfl… ähm Gasfleisch und dazu …. nee, nix dazu. Reicht doch.
Heute habe ich gefrühstückt, nach dem Mittagsschlaf. Das war lecker, so mit halbfrischen Brötchen.
Und den Abwasch mache ich natürlich auch. Wenn es notwendig ist. Also, wenn ich eine neue Tasse brauche oder so.
Und zum Abwaschen stelle ich sogar das warme Wasser an. Wenn dann zum Duschen noch etwas übrig ist: gut. Wenn nicht, auch gut. Kalt duschen geht nämlich viel schneller.
Ach ja, aufräumen muss ich gar nicht. Hab nämlich auch nix ausgeräumt. Außer dem Stuhl, der muss ja. Zum Rauchen.
Und sonst? Naja, nicht viel. Kuchen kann ich direkt beim Bäcker essen. Und das Handtuch zum Strand habe ich links oben gefunden.
Ihr seht also, alles in Ordnung hier bei den Männern. Aber das Beste an ein paar Tagen sturmfrei ist, dass man sich wieder vermisst!
Und deshalb freue ich mich wirklich darauf, ab morgen den Abwasch wieder sofort zu machen und das ein oder andere aufzuräumen.
Gute Nacht geliebte Platzbesetzerin!
