Da sitze ich nun und warte. Während ich warte, schaue ich aus dem Fenster.
Ein freundlicher Herr mittleren Alters eilt vorüber. Kurze Zeit später kommt er zurück, ebenso eilig. Es ist windig draußen. Und kalt. Und dunkel. Aber der Müll musste weg, deshalb hat er sich wohl auf den unerfreulichen Weg gemacht.
Kleine Strudel Laub wehen über den Platz. Schön bunt ist es, das Laub – aber tot.
Vorne geht auch jemand vorbei, ich höre den Kies knirschen. Aber ich kann nichts sehen, die Scheibe ist beschlagen. So ein Ärger, dabei hätte ich so gerne gewusst, wer außer mir noch wach ist um diese unchristliche Zeit. Vielleicht war es die fröhliche Dame von gegenüber, die Karl gestern sofort erkannt hat.
Aber jetzt, da! In der aufkommenden Dämmerung erkenne ich erst ein braun-weißes Fellbüschel, dann eine weiße Jacke. Und eine ebenso buschige Pudelmütze. „na, hat Dein Hund auch so lange gequengelt, bis Du endlich aufgestanden bist?“ denke ich und boxe Karl in die Seite.
Der feine Herr meinte nämlich, heute morgen so lange tippeln, quengeln und an meinem Knie lecken zu müssen, bis ich endlich aufgestanden bin. Da war es 5:43 Uhr.
Die geliebte Bettbesetzerin hat natürlich so getan, als würde sie all das nicht hören. Niedlich schnaufend hat sie sich umgedreht und die Decke dabei mitgezogen. Naja, wenn mir jetzt ohnehin schon kalt ist, kann ich ja auch aufstehen.
„kein Problem, Papa macht das schon“
Und so sitze ich hier um kurz nach 6. Karl hat seine Geschäfte erledigt, Soni liegt warm und trocken und ich schaue aus dem Fenster. Immerhin, so leise es ging, habe ich mir einen Kaffee gekocht. Und wer liebt es nicht, bei Nieselregen, Wind und im Halbdunkeln vor der Tür eine zu rauchen?!
Und Karl? Ach ja, der hat sich natürlich wieder hingelegt und pennt.
Würde ich auch gerne, kann ich aber nicht. Wenn ich einmal wach bin, bin ich wach.
Das ist grundsätzlich kein Problem, ich mag diese besondere Stimmung am Morgen. Aber nicht heute. Denn das da draußen ist keine Stimmung, das ist der Trailer zu einem morbiden Hinterhof-Psycho-danach-kann-niemand-schlafen-Film. Das Wetter und die Stimmung spielen Kläranlage. Und ich mittendrin.
Merkt man eigentlich, dass ich den Herbst nicht mag? Nee, oder? Na dann ist ja gut!
Außerdem bin ich unausgeschlafen. Nicht direkt müde, aber so ….. bääähhhh.
Nach drei Tagen Dienstreise, Kopf mit Konzepten, Ideen und Strategien ausgequetscht und so mittelmäßig geschlafen, hatte ich mich darauf gefreut, auszuschlafen und mich unter die warme Decke der Platzbesetzerin zu stehlen. Aber was macht die? Klaut mir ebenjene Decke und überlässt mich den kalten, nassen Bedürfnissen eines hyperaktiven Teenagers mit Fell.
Naja, es ist wie es ist und nach dem dritten Kaffee kann ich draußen wenigstens auch etwas erkennen. Es wird nämlich langsam hell.
Dadurch passiert aber auch nicht viel mehr auf dem Platz. Herzlichen Glückwunsch liebe Mit-Platzbesetzer: entweder habt Ihr keinen Hund oder eine Traumfrau. Ich habe beides, Hund und Traumfrau. Die träumt nämlich offensichtlich irgend etwas schönes, denn sie lächelt im Schlaf. Und wer kann bei einem solchen Anblick noch schlechte Laune haben?
Ich jedenfalls nicht, also mache ich erstmal den Abwasch. Es sind nur die zwei Weingläser von gestern Abend und ein wenig Besteck.
Habt Ihr schon mal versucht, ohne Geräusche abzuwaschen? Ich wollte die geliebte Traumbesetzerin natürlich nicht wecken. Aber auf 15m² im Inneren von Walter macht praktisch alles Geräusche. Atmen, Anziehen, Kaffee trinken – und natürlich auch abwaschen.
Es ist ein spannendes Experiment, alles was Du tust so leise wie irgend möglich zu machen. Ich habe dabei heute morgen gemerkt, was für ein lautes Trampel ich sonst eigentlich bin.
Jedenfalls, die Traumfrau schläft noch immer – Experiment schein gelungen.
Nun würde ich mich gerne umziehen. Hmm, der Kleiderschrank ist direkt neben dem Bett, also wirklich direkt. Das Waschbecken auch.
Egal, wir sind ja nicht zu Hause, da kann man(n) auch mal etwas länger vor sin hin müffeln.
Also sitze ich so rum, schaue aus dem Fenster und sortiere meine Gedanken. Langsam beginne ich, diesen Morgen doch zu mögen.
Bis auf das kurze Knirschen im Kies ist es still. Und ich mag Stille.
Ich schaue aus dem Fenster, freue mich, dass ich wenigstens den Müll nicht rausbringen muss und stelle irgendwann fest, dass ich gar keine Gedanken habe, die ich sortieren müsste.
„Klingelingeling“
„Klingelingeling“
„Klingelingeling“
Ich werde jäh aus meinen Nicht-Gedanken gerissen. Es bimmelt über den ganzen Platz. Sofort fangen rechts und links in den Campern die Hunde an zu bellen.
„Klingelingeling“
Durch die beschlagene Frontscheibe sehe ich verschwommen den Bäckerwagen ganz langsam vorbeifahren.
Dass der Typ noch lebt, grenzt an ein Wunder. Wie kann man um diese Zeit ….
Oh, es ist tatsächlich schon 9:00 Uhr.
„gibt’s eigentlich schon Kaffee?“ höre ich eine vertraute, ausgeschlafene Stimme aus der Ferne.
Na endlich!